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Kultur: Der Seelentonmeister

Zum 70. Geburtstag des Tenors Peter Schreier

Die Stimme kommt aus der sächsischen Kantoreitradition. Gemäß dem Bachtitel „Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen“ wurzelt dort auch das Wunder Peter Schreier, das von Dresden aus in die Welt strahlt. Der Meißener Kantorensohn, der durch die leistungsorientierte Schule des Dresdner Kreuzchores gegangen ist, sieht sich alsbald von einem japanischen Peter-Schreier-Fan-Club in Tokio umringt. Aus dem einstigen Altisten ist ein lyrischer Tenor geworden. Und es gehört zu seinem frühen Ruhm, dass er von Karl Böhm bei einer „Giovanni“-Produktion in Wien als „Herr Schreier“ vorgeführt wird, „ein Sänger, der sich diesen Namen wirklich leisten kann.“

Die DDR hat den Ausnahme-Sänger zum Vorzeigekünstler gemacht. Das bedeutete damals, Reisefreiheit zu genießen und gelegentlich mit Politikern wie Honecker musikalischen Smalltalk über Schuberts Lieder zu halten. Nationalpreis hin, Verdienstorden her – Schreier schmückt Akademien in Ost und West. Die Berliner Staatsoper ist zu seinem Stammhaus geworden. Heimisch fühlt er sich auch in Wien und bei den Salzburger Festspielen, wo es um ihn in den Siebzigern ein legendäres „Così“-Ensemble gab: mit Gundula Janowitz, Brigitte Fassbaender, Reri Grist, Hermann Prey und Dietrich Fischer-Dieskau. Das spezifische Timbre aus Jugend und Weisheit, der Typus des strebenden Sängers und die seit der Kindheit als Kreuzianer erworbene Stilsicherheit sind seiner Bühnenpersönlichkeit erhalten geblieben. Im Jahr 2000 singt er an der Lindenoper zum letzten Mal Mozart: Taminos Abschied und Zauber.

Was Peter Schreier als sein Credo verteidigt, hat mit seiner Vertiefung in das „Zwielicht“ romantischer Liedschule zu tun: „Bei mir muss der Ton eine seelische Komponente haben.“ Obwohl ihn eine Aura des Gelehrten umgibt, bleibt der Bach-, Mozart-, Schubert- und Schumann-Sänger wie der auch in der Oper versierte Dirigent im Innersten Romantiker. So geht er mit zeitgenössischer Musik sparsamer um als sein Freund Theo Adam – und macht vor allem eine Ausnahme: Paul Dessau.

Am „Ziel aller Wünsche“, der Leipziger Thomaskirche, singt Schreier 1961 zum ersten Mal den Evangelisten in der Matthäuspassion von Bach. Sein Name ist nachgerade zum Synonym für die Partie geworden. Und Herbert von Karajan entdeckte in dem Bachsänger seinen Wagnersänger: Die Art, in der Schreier den Evangelisten interpretiere, müsse auch für den Loge im „Rheingold“ geeignet sein.

An den David der „Meistersinger“ ist er indessen schon früher in Dresden herangegangen. Die Schulweisheiten des Lehrbuben trägt er in der Karajan-Einspielung mit lautmalerischen Finessen und viel Kantabilität vor: „jed’ Zierat fest nach des Meisters Spur“. Dabei ist zu bestaunen, wie eng Peter Schreiers David und Evangelist musikalisch miteinander verwandt sind: Unverwechselbar in Wort und Ton. Heute feiert der Sänger seinen 70. Geburtstag.

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