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Der Selbstverteidigungsminister: Ich bin Pop, ich bin ein Star!

Die Beliebtheit des schneidigen Karl-Theodor aber scheint ungebrochen, das Volk stellt sich bockig und will sich seiner vermeintlich einzigen politischen Lichtgestalt um keinen Preis berauben lassen.

Konsultiert man das Internet, bezeichnet der Begriff „Pop“ wahlweise ein Album von U2, einen Ort in Usbekistan, einen slowenischen Fernsehsender und einen Monat im Maya-Kalender. Mit all dem hat der deutsche Verteidigungsminister nichts zu tun. Landläufig – und ums Landläufige geht es in der Affäre Guttenberg – meint „Pop“ ja auch eher „Pop-Kultur“, von populär (beim Volk bzw. allgemein beliebt, lat. popularis), also das, was jeder kennt. Die Umfragewerte mögen langsam bröckeln, am Tag zehn des Doktorspiels, weshalb wir die Wahrheit über das gestrige Plebiszit der „Bild“-Zeitung auch nie erfahren werden („Der Guttenberg-Entscheid!“): Die Beliebtheit des schneidigen Karl-Theodor aber scheint ungebrochen, das Volk stellt sich bockig und will sich seiner vermeintlich einzigen politischen Lichtgestalt um keinen Preis berauben lassen.

Die Bilder aus Kelkheim beweisen es, Menschen mit roten Bäckchen und Tränen der Verzückung in den Augen. Es ist egal, ob der ehemalige Dr. jur. nun ein ganzes Ministerium, eine ganze Universität und seine hochadelige Familie mit in den Abgrund reißt: Eine „oberfränkische Tanne“ zu fällen, so der gesellschaftliche und parteipolitische Konsens, braucht mehr als ein paar hauptstädtische Presse-Wichtel.

Wobei sich über Starqualitäten immer streiten lässt

Popstars dürfen, was keiner darf, das war schon immer so. Der Tenor Richard Tauber etwa besaß im Berlin der zwanziger Jahre die ausdrückliche Erlaubnis, bei Rot über die Ampel zu fahren (Opfer sind keine überliefert). Und wenn sein Sängerkollege George Michael vergangenen Herbst wegen Drogen am Steuer hinter britische Gardinen wandert, dann ist das ebenfalls kaum mehr als ein Kavaliersdelikt, schließlich ging nur ein Schaufenster zu Bruch. Alkoholexzesse, Prügelorgien, Steuertricks, die Liste der mehr oder weniger lässlichen Vergehen ließe sich ad infinitum verlängern. Wurde der Boxer Mike Tyson nach seiner Verurteilung als Vergewaltiger nicht zum zweiten Mal Weltmeister im Schwergewicht? Und trat die Schauspielerin Ingrid van Bergen, die 1977 in einer Villa am Starnberger See ihren Geliebten erschoss, nicht 2009 bei RTL ihr Amt als „Dschungelkönigin Ingrid I.“ an? Wobei sich über echte und falsche Starqualitäten immer streiten lässt. Auch Talmi glänzt auf den ersten Blick.

Stars stürzen ab – und rappeln sich wieder hoch. Manche sind ramponiert fürs Leben, manche katapultieren sich in ganz neue, ungeahnte Umlaufbahnen. Mit normalsterblichem, irdischem Handwerkszeug jedenfalls ist ihnen allen nicht am Zeuge zu flicken. Oder wie ein Abgeordneter der Unionsfraktion aus aktuellem Anlass formuliert: „Wer bin ich, ihn (Guttenberg, Anm. d. Red.) zu gefährden?“ Überhaupt muss man nicht groß die Welt des schönen Scheins bemühen, Politik und Kirche tun es auch.

Ob er ein Popstar ist, bricht sich an der Frage, ob er fallen kann

Vor exakt einem Jahr trat Margot Käßmann zurück, als Landesbischöfin wie als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, nach vier Tagen Bedenkzeit. 1,54 Promille im Blut und eine rote Ampel wurden ihr zum Verhängnis, als Bundespräsidentin und Nachfolgerin von Horst Köhler hätte sie trotzdem Chancen gehabt – heute schreibt sie Bücher und ist wieder da. Nach einer Bonusmeilen- und Kreditaffäre wiederum wurde der Grünenpolitiker Cem Özdemir sogar volle fünf Jahre lang im Europäischen Parlament geparkt, heute ist der gebürtige Schwabe Parteivorsitzender.

Die Frage, ob KT, der ebenso gerne AC/DC hört wie er mit Gattin die Bayreuther Festspiele besucht, ein Popstar ist, bricht sich demnach an der Frage, ob er fallen kann, besser: ob er fallen hätte können, um wieder aufzustehen. Ob er es erträgt, von der Bildfläche zu verschwinden, Einkehr zu halten bei sich selbst, wenigstens eine Zeit lang. Glanz, Charme, Charisma, Aussehen, Rhetorik, Machtinstinkt und Herkunft mögen einen Politiker schnell zum Hoffnungsträger machen, zum leuchtenden Fixstern in einer mausgrauen Welt. J.F. Kennedy war so ein Typ, Obama ist so einer. Wer allerdings zu spät auf die Knie der Demut fällt, steht möglicherweise nie wieder auf.

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