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Kultur: Der Sound der Straße

Till Hastreiters filmische Milieustudie „Status Yo!“

Jugendmoden haben normalerweise keinen langen Atem. Nichts sieht so alt aus wie der Trend von gestern – bis zum nächsten Revival. Der HipHop ist die wundersame Ausnahme von dieser Regel. Obwohl er schon vor dreißig Jahren entstand, wachsen bis heute immer neue Generationen in die weiten Hosen ihrer Vorgänger hinein. Zum Beispiel Vern. Seine Rede ist ein Fluss ohne Ufer, allenfalls die unvermeidlichen Attribute „krass“, „fett“ und die üblichen four-letter words unterbrechen diesen Strom. Vern wäre gerne Manager und träumt von der ganz großen Abzocke. Oder Yaneq. Innerhalb von 24 Stunden will er die größte Party organisieren, den „fetten Jam“ schlechthin. Und bei Jamie und Sascha und Yesim und Sera sieht es in etwa genauso aus. Wenn nur die Realität nicht immer dazwischenkommen würde.

Der Film „Status Yo!“ (in vier Berliner Kinos) hat viele Protagonisten und ebenso viele Handlungen. In schneller Folge trifft man Großmäuler, Sachbeschädiger, Kleinkriminelle und Gewohnheitskiffer. Kaum einer ist auf Anhieb sympathisch, denn alles an ihnen ist Attitüde: große Klappe, leere Sprüche. Steine schmeißen vom Dach, U-Bahn besprühen, klauen an der Tanke: was der Spielplatz Großstadt, den man sich als Jugendlicher ja nicht aussucht, so an Abenteuern zu bieten hat.

Aber dann verwirren sich die Handlungsfäden zu einem bedrohlichen Knäuel. Yesim soll wider Willen in die Türkei verheiratet werden. Jan trifft zum ersten Mal seinen Vater. Sässion hat ein paar Knochenbrecher auf dem Hals, denen er Geld schuldet. Mit diesen Short- Cuts kommt Tempo in den Film. Alles rast auf die finale Party zu, wo sich alle begegnen werden. Genau 24 Stunden sind dann in 112 Kinominuten vergangen, und manche Dinge werden sich geklärt haben. Andere werden sich nie ändern.

„Status Yo!“ ist das Langfilmdebüt des vormaligen Werbefilmers Till Hastreiter, der bereits Mitte der Achtziger mit der Hip-Hop-Szene Bekanntschaft machte. Von Berlin macht Hastreiter dabei großzügig Gebrauch. In schnellen Breaks und Schnitten wechselt er so schnell zwischen Kulissen und Bezirken wie ein DJ zwischen den Schallplatten.

Für seinen dokumentarisch inszenierten Spielfilm drehte er fast auschließlich mit Laiendarstellern. Viele von ihnen spielen sich selbst. Am Ende sind einem die Figuren mit ihren kleinen und großen Problemen nicht nur sympatisch, plötzlich erschließt sich auch der Kosmos Hip-Hop mit all seinen hermetischen Ritualen als kulturelle Technik zur Aneignung der Großstadt. „Status Yo!“ ist mit seinen Wackelbildern nicht nur eine impressionistische Milieustudie über eine der beständigsten Subkulturen, sondern auch ein großartiger Berlin-Film.

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