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Kultur: Der Theaterkracher

... kriegt eine Rose und geht mit uns essen: Heute feiert Claus Peymann am Berliner Ensemble seinen 70. Geburtstag

Wenn er es nicht schon hat, könnte man es ihm zum Geburtstag schenken, James McNeill Whistlers „Die artige Kunst, sich Feinde zu machen“. Zwar erschien das Büchlein bereits 1890, aber der Jubilar schmückt sich ja gern mit den ewigen Werten der Kunst. Und immer einen Tort auf den Lippen, eine Breitseite in der Tasche, so kennt die ältere Theaterwelt Claus Peymann, den Direktor des Berliner Ensembles. Seit 1999 schon sitzt er in seiner Schiffbauerdamm-Burg, und auch dies gehört zu den Auffälligkeiten des Ritters von der sauren Gestalt: So viele Attacken er reitet, so lange bleibt er auch. Sechs Jahre in Stuttgart, sieben Jahre in Bochum, dreizehn Jahre in Wien. Als junger Mann (noch mit Schnauzbart) war er Oberspielleiter im Frankfurter Theater am Turm, damals eine revolutionäre Bühnenzelle, 1970 gehörte er, wenn auch nur wenige Monate lang, zum Gründungs-ZK der Schaubühne am Halleschen Ufer.

Dass ausgerechnet Peter Stein – man mochte sich nie sehr – dem BE und Peymann mit dem monumentalen „Wallenstein“ nun nicht nur einen Publikumserfolg, sondern auch ausnahmsweise mal Beifall von der Kritik beschert, ist eine hübsche ironische Volte. Kritiker und Politiker betrachtet Peymann als natürliche Feinde, und sind die mal nicht zur Hand, werden langjährige Theaterfreundschaften abgehobelt, wie jüngst im öffentlich zelebrierten Beleidigungswettstreit mit Gert Voss, der jahrzehntelang sein Protagonist und Erfolgsgarant war, in der Bochumer „Hermannsschlacht“, im Wiener „Richard III.“.

Ein Leben lang Theaterfunktionär. Inzwischen rücken allerorten die Manager auf die Intendantenposten vor, die Diplomaten, die Marketing-Typen. Jüngere Peymänner sind nirgendwo auszumachen. Das Theater hat sich der Gesellschaft bis zur Unkenntlichkeit assimiliert, und wenn Claus Peymann unermüdlich Christian Klar einen Praktikumsplatz am BE andient (wird Klar dafür nicht langsam zu alt?), bedeutet das auch, dass die alten Erregungsmuster fadenscheinig geworden sind. Es hat ja immer Spaß gemacht, war eine große Ehre, von Peymann abgewatscht zu werden. Jetzt schimpft er nicht mal mehr auf Frank Castorf, und der ist auch verdammt ruhig in seiner Volksbühne. Und der Rest macht einfach Karriere, wahnsinnig schnell und lautlos fast.

Peymann sei nur noch ein „mittelmäßiger Regisseur“, hat Gert Voss ihm ins Gesicht geklatscht. Was freilich für nicht wenige aus der Generation P. gilt, bei Claus P. aber besonders auffällt, weil er mit schon bewundernswerter Sturheit an der im Grunde gar nicht zu bewältigenden Dreifachrolle als Hauptinszenator, Hausherr und Alleinunterhalter festhält.

Peymanns Passion, ja Nibelungentreue für seine Autoren spricht Bände. Thomas Bernhard, Peter Handke, Elfriede Jelinek. Alle aus Österreich, wo man sich auf die Kunst des inszenierten Tobsuchtsanfalls wie der genialischen Übertreibung versteht. In Wien als „Piefke“ tituliert, hat der gebürtige Bremer den Österreichern ihre Literatur doch aufs Liebevollste gepflegt. Peymann, der Choleriker – als sei er einem Thomas-Bernhard-Stück entlaufen, der „Weltverbesserer“, der „Theatermacher“, naturgemäß.

Peter Zadek, der vor Peymann am BE so traurig scheiterte, ist Ähnliches passiert. In den siebziger und achtziger Jahren gefeierte Stars des Berliner Theatertreffens, fanden beide nach der Wende hier eine andere Stadt vor. Castorf traf damals den richtigen Ton. Peymann wirkte wie ein Fremder, wie ein verwöhnter Wiener am Berliner Ensemble. Das lebt bis heute eher von teuren Gästen – soeben hat Robert Wilson am BE mit den Proben zur „Dreigroschenoper“ begonnen – als von eigener Ensemblekultur, die vor allem Peymanns Bochumer Jahre auszeichnete. In Berlin band Peymann schließlich ein Publikum, das sein Schiller-Theater verloren hatte und sich an der neuen Schaubühne wie auch am Deutschen Theater nicht zu Hause fühlte.

Einst ein Regietheaterheld, inszeniert er heute Brecht mit ehrfürchtigem Pathos, wie es sonst keiner mehr macht. Lessing, Schiller, Shakespeare lässt er so spielen, wie es Bundespräsident Horst Köhler gefällt, der im Schiller-Jahr 2005 eine Rede im BE hielt: sauber vom Blatt. Jetzt will Peymann noch einmal den „Faust“ stemmen. Und wohl noch ein paar Jahre dranhängen , bis 2011. Nachfolger? Darüber hat sich Peymanns Generation, die sich ihrer selbst so sicher war wie nie eine Generation zuvor am Theater, nie große Gedanken gemacht.

Zu Claus Peymanns 70. Geburtstag spielt das BE heute Abend „Mutter Courage und ihre Kinder“, nachher wird am Hof gefeiert, es gibt wienerische Speisen, handgeschnittenen Beinschinken mit Kren. „Bitte keine Geschenke – höchstens Rosen“, heißt es in der Einladung. Also: Kaufen wir Claus Peymann eine Rose und gehen mit ihm essen. Die schönsten Kriege sind nun mal die Rosenkriege.

Rüdiger Schaper

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