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Kultur: Der Tod hinter der Tür - Alltag in einem "mäßig schönen Wohnblock aus der Vorkriegszeit im Süden von London"

Die Türen sind längst ins Schloss gefallen. Jeder lebt für sich allein.

Die Türen sind längst ins Schloss gefallen. Jeder lebt für sich allein. Wenn es noch Beziehungen gibt, dann sind sie rüde und sexueller Art. Aber auch in der Lust bleibt die Fremdheit unüberwindlich. So skizziert Martin Crimp in seinem 1987 geschriebenen Stück "Das stille Kind" (Getting Attention) Alltag in einem "mäßig schönen Wohnblock aus der Vorkriegszeit im Süden von London". Carol und Nick, sie Anfang zwanzig, er Anfang dreißig, sind in heftig triebhafter Weise aufeinander fixiert. So ausschließlich, dass das Kind, ein dreijähriges, vielleicht auch älteres Mädchen, im zumeist abgeschlossenen Zimmer hinter dem Wohnraum verkommt und stirbt, unbeachtet, vernachlässigt, gequält. Die ältere Nachbarsfrau, der von seiner Familie getrennte junge Nachbar beobachten die Tragödie, nähren damit ihre eigene schmuddelige Phantasie. Und eine Sozialarbeiterin lässt sich hilflos an der Nase herumführen ...

Im bat-Studiotheater hat Wojtek Klemm den wie aus Fetzen zufälliger Mitteilungen gebauten Dialog so inszeniert, dass die Hilflosigkeit der Figuren deutlich wird, ihr unwirkliches Dasein, ihr Fixiertsein auf nur noch mechanische Reize - was auch geredet wird, geht immer am Partner vorbei. Allerdings fehlt der Diplominszenierung, die das Stück stark verkürzt, ein zwingender Rhythmus. Auch die verzweifelte, wütende Anstrengung des Paares, sich ein Leben zu richten, ohne und gegen das "stille Kind", bleibt zu nüchtern, zu vorsichtig. Klemm gibt die Vorgänge nicht frei, lässt sie sehr fremd und verhemmt hölzern bleiben.

Nicole Horny verleiht der jungen Mutter eine fahrige Nervosität, die mit dumpfer Ruhe wechselt. Auf Schuhen mit hohen Absätzen stakt ihre Carol wie haltsuchend, unsicher durch ein Dasein, das sie nicht versteht. Ralph Martin zeigt die Trägheit, die Langsamkeit des nur noch von direkter Sinnlichkeit angetriebenen Liebhabers Nick auf körperlich auftrumpfende Weise. Die vom Autor vorgeschriebenen drei Spielebenen brachte Johanna Pfau einfach und klar auf die kleine Bühne - die niedrigen weißen Wände des Wohnzimmers ergeben eine erhöhte Außen-Ebene mit den Wohnungstüren der Nachbarn an der Stirnseite - und deuten zugleich einen Streifen Garten an. Es gab, nach nur achtzig Minuten Spieldauer, sehr freundlichen Beifall.Wieder vom 25. bis 27. November, 20 Uhr.

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