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Kultur: Der Ton der Sehnsucht

Zum Tod des Tenors James King

Als „wahrhaft kaiserlicher Tenor“ wird James King 1964 in einer Rezension der „Frau ohne Schatten“ zu den „kostbarsten Singvögeln aus Sellners Volière“ gezählt. H.H. Stuckenschmidt lobt „die Strahlkraft, die Strauss von diesem Jäger und Liebhaber fordert, dazu den lyrischen Schmelz“. Es ist die hohe Zeit in der Karriere des amerikanischen Sängers, die an der Deutschen Oper Berlin unter der Intendanz Gustav Rudolf Sellners heraufzieht. 1962 singt King neben Christa Ludwigs Fidelio den Florestan, 1964 in Sellners Inszenierung den Don Carlos: Dass auch Pilar Lorengar, Fischer-Dieskau und Josef Greindl auf dem Programm dieser legendären Premiere stehen, beleuchtet den Anspruch der Ensemblekultur des Hauses.

Am 22. Mai 1925 in Dodge City (Kansas) geboren, hat King bereits ein Jahrzehnt als Musikprofessor in Kentucky hinter sich, als er 1962 nach Berlin kommt, um die Opernwelt zu erobern. Engagements bei den Salzburger und Bayreuther Festspielen folgen, sein Radius schließt bald die Metropolitan Opera und die Wiener Staatsoper ein. Der Kreis der Opernpartien aber bleibt relativ eng, lässt Zeitgenössisches beiseite. Verdi, Puccini, Beethoven und das deutsche Wagner-Strauss-Fach dominieren. In Sellners Berliner „Ring“ lässt sich 1967 entdecken, dass King zu einem idealen Siegmund aufgestiegen ist: Sein nuancierter Gesang versteht sich immer mehr auf Phrasierung, auf Pianowerte und verfügt weiterhin über ein glänzendes Forte.

King ist weit mehr als ein bloßer Strahletenor. Eine Träne schwingt immer in seinem Timbre mit. So weiß ihn auch Götz Friedrich zu schätzen, der 1983 als Berliner Intendant mit Karan Armstrong und King Korngolds „Tote Stadt“ inszeniert: Die Intensität des Sängers und seiner Gestaltung des Witwers Paul, der Sehnsuchtston und das Weinen der Seele bleiben auch aus seiner stimmlichen Spätzeit als Faszination in Erinnerung. Ebenso der Lohengrin, der Florestan, den er mit Götz Friedrich und Karl Böhm in München erarbeitete: In ein Konzept mit dem holprigen Urdialog bringt King seine reife Gestaltung mit bestechendem Wohlklang ein.

Seine Liederabende pflegte er mit der Zugabe von Schuberts „Du holde Kunst“ abzurunden. Einmal sang er sogar „Dein ist mein ganzes Herz“: eine seriöse, zärtliche, tenoral-süffige Interpretation, die in dem abgenutzten Stück Lehárs Meisterwerk wiederfand. Nach dem Verebben der Bühnenkarriere hat er an der Universität in Bloomington gelehrt. Am Sonntag ist James King im Alter von 80 Jahren in den USA gestorben.

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