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Kultur: Der Traum der Karibik

MUSIK

Schon das Stillleben ist viel versprechend: jede Menge Wasserflaschen auf der Bühne. Und für die Musiker liegen weiße Frotteehandtücher bereit. Es ist 22 Uhr 30. Eddie Palmieri setzt sich an den Flügel, improvisiert lange und in dramatischer Akkordfolge über eine Habanera. Der Vorgeschmack eines Raubtiers, das seine Beute sichtet. Der 67-jährige Palmieri hat Thelonious Monk und McCoy Tyner durch Spanish Harlem begleitet und der Salsa Jazz-Harmonien beigebracht. Im gut gefüllten Quasimodo tritt der siebenfache Grammy-Preisträger diesmal mit einem Nonett auf: La Perfecta. Im Vordergrund stehen, wie einst bei Tito Puente, die Timbales. Rhythmus und Percussion als treibende Kraft der Band: Hinter den Congas und Bongos sitzen stämmige Puertoricaner. Flötistin Karen Joseph sorgt für einen frischen Hauch von Charanga, die Bläser an Posaune und Trompete steuern Bigband-Feeling bei. Palmieri verspricht einen Mix aus Latin Jazz und Salsa mit Pfefferschoten. Vor Wonne raunend, fällt er in seine Tasten – ein Raubtier im Anschlag. Im Publikum gibt es jetzt kein Halten mehr. Herman Olivera, der als talentierter Improvisator zu den großen Nachwuchs-Soneros zählt, singt über Wahrheit, die Welt und die Menschheit, die ewigen Themen der kubanischen Rumba, des Guaguancó. John Walshs Trompetenspiel ist so fein und scharf wie ein Stilett, der Bass pulsiert und slappt, Palmieri bringt sein Piano endgültig zum Brüllen. Was für ein Konzert! 1 Uhr 50 früh: Die Musiker wringen ihre Handtücher aus. Und Eddie Palmieri verschwindet in den Rauchwolken einer langen, würzigen Zigarre.

Roman Rhode

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