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Kultur: Der Traum des Ingenieurs

KULTURGESCHICHTE

Angesichts der unübersehbaren Fülle der Literatur zum Bauhaus erstaunt, dass es noch weiße Flecken geben sollte. Einen und noch dazu bemerkenswert großen hat jetzt Walter Scheiffele ausgefüllt. In seiner Studie „bauhaus junkers sozialdemokratie. ein kraftfeld der moderne“ (ja, alles in gewöhnungsbedürftiger Kleinschreibung!) untersucht er den politischen und wirtschaftlichen Bezugsrahmen, in dem das Bauhaus nach Dessau kam, reüssierte und nach wenigen Jahren von der politischen Rechten auch wieder zerstört wurde (form + zweck verlag, Berlin 2003. 304 S. m. 170 Abb., kt. 39 €). Dass der Autor das Bauhaus durchaus nicht in den Mittelpunkt rückt, sondern mindestens ebenso stark die Siedlungsbaubewegung auf der einen Seite und die Flugzeugindustrie auf der anderen, macht den Wert seiner materialreichen Untersuchung aus. Es zeigt sich, dass Bauhausgründer und -propagandist Walter Gropius die öffentliche Meinung zumal nach 1945 weit stärker prägen konnte, als es den Dessauer Verhältnissen entsprach. Eindrucksvoll gerät dem Autor die Skizze des Unternehmers Hugo Junkers, dessen Flugzeuge Mitte der zwanziger Jahre die deutsche Verkehrsluftfahrt begründeten, der aber schon damals von den Rüstungsplänen der Reichswehr und dann sofort ab 1933 von denen der Nazis rüde beiseite gedrängt und schließlich gar enteignet wurde – ein technokratischer Idealist, in dessen Person weit eher als in derjenigen von Gropius die Fortschrittsutopien seiner Zeit Gestalt gewannen. Bedrückend ist der politische, von hässlichstem Antisemitismus begleitete Niedergang Dessaus bereits Ende der zwanziger Jahre – ein Versuchsfeld für das, was der Weimarer Republik 1933 widerfuhr. Scheiffeles Buch ist zweifellos eine der wichtigsten neueren Studien nicht allein zum Bauhaus, sondern zur Industriekultur der zwanziger Jahre überhaupt.

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