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Kultur: Der Uferbefestiger

Wie der Dresdner Museumsdirektor Martin Roth als Krisenmanager die Kultur in Sachsen voranbringt

Von Bernhard Schulz

Die Dresdner Pressekonferenz über Hilfsmaßnahmen für flutgeschädigte Kultureinrichtungen am Dienstag bestritten Kulturstaatsminister Nida-Rümelin und der sächsische Kunst- und Wissenschaftsminister Rößler. Aber mit dabei war natürlich Martin Roth. Roth ist überhaupt stets dabei. Er ist seit dem ersten Anbranden der Flutwelle zum inoffiziellen Sprecher der sächsischen Kultur geworden – eine Rolle, die für ihn maßgeschneidert scheint und derer er sich nur erwehrt, weil sie Widerwillen bei jenen hervorruft, die nicht gleichermaßen Übung im Umgang mit den Medien besitzen.

Am Dienstag konnte Roth sich ein wenig zurücklehnen. Jedes Wort bei der Pressekonferenz sei „gut“ gewesen. Die Aussicht auf schnelle Hilfe beflügelt nach den Tagen der Anstrengung, der Macht des Wassers so gut wie irgend möglich zu trotzen.

„Die Uhren ticken in Sachsen etwas anders“, meint Roth lapidar – um eilig hinzuzufügen: „als meine“. Dass die Uhren etwas anders gehen – von „langsamer“ ist nicht die Rede –, hat Roth gelernt, seit er 1991 die Leitung des Dresdner Hygiene-Museums übernahm. Das nach Meinung vieler Beobachter zur „Abwicklung“ verdammte Haus führte er binnen Kürze in die vorderste Reihe der deutschen Wissenschaftsmuseen. Jetzt steht das Hygiene-Museum vor der umfassenden Sanierung und Erweiterung – aber zugleich vor den Schäden der Flut.

Das Desaster hat Roth auch an seinem jetzigen Arbeitsplatz vor Augen. Seit vergangenem Herbst amtiert er als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, dem nach Berlin und München drittgrößten deutschen Museumsverbund. Im Kulturland Sachsen nimmt er damit automatisch einen Rang ein, der neben sich allenfalls noch die Spitzenkräfte der Semperoper oder des Leipziger Gewandhauses kennt. Zudem ist Roth seit 1995 Präsident des Deutschen Museumsbundes und mithin Sprecher der 1100 wichtigsten deutschen Museen.

Roth weiß sehr gut, dass die Kulturschätze Sachsens nicht allein in Dresden zu finden sind. Von Anfang an hat er seine Stimme auch für die kleineren Institute erhoben, und bei der Schadensbilanz vergisst er Stadtbüchereien und Kinos ebensowenig wie die Einrichtungen der „Soziokultur“. Künftig soll jeder Besucher „seiner“ Kunstsammlungen 50 Cent für die kleinen Häuser im Land drauflegen. Das schafft Sympathie, zumindest aber besänftigt es das Misstrauen, das dem 1955 geborenen schwäbischen Überflieger des öfteren entgegenschlägt. „Wenn man zwölf Häuser hat, denkt man leicht an die kleineren Einrichtungen – das ist weder eine große Geste, noch steckt eine kulturpolitische Strategie dahinter“, wiegelt Roth ab.

Spätestens als Leiter des „Themenparks“ der Expo 2000 hat Roth den Umgang mit Politik und Medien zur Meisterschaft entwickelt. Und von Hannover ist er wahrlich nicht nach Dresden berufen worden, um bloß das Erbe zu hüten. Ob man in Sachsen nach der Flut „zum gemütlichen Administrationsalltag zurückkehren“ könne, werde man sehen, hält Roth sich zwar bedeckt. Doch einige Sätze später fügt er hinzu, es sei seine „Sorge, dass man in den Ministerien die Katastrophe verwaltet – das wäre das Dümmste , was passieren kann“. Über seine Erfahrungen mit der Landesregierung schweigt er sich diplomatisch aus – abgesehen vom Kunstminister Matthias Rößler, den er in höchsten Tönen preist, weil er gemeinsam mit seinen Mitarbeitern tatkräftig bei der Bergung der 4000 Gemälde aus dem Depot der Semper-Galerie angepackt hat. Insgesamt mussten die staatlichen Museen 23000 Objekte in Sicherheit bringen.

Aber Roth wäre nicht Roth, hätte er nicht die kulturpolitischen Konsequenzen aus dem Flutdesaster im Auge. Die Verzahnung von Kultur, Tourismus und Ökonomie treibt den promovierten Kulturwissenschaftler mit Nebenfach Soziologie seit jeher um: „Spätestens jetzt muss die Landesregierung merken, welchen ökonomischen Stellenwert die Kultur hat. Kultur ist das Einzige, was Dresden auf die Beine hilft.“ Das gilt gleichermaßen für weite Teile von Sachsen sowieso. Roths Credo lautet denn auch: „Weitermachen, die Häuser wieder öffnen – und die von der Flut verursachten Probleme erst lösen, wenn sie sich uns in den Weg stellen.“ Beim Wiederaufbau des Dresdner Schlosses, einem Hauptsitz der Museen, will Roth zum alten Zeitplan zurückkehren, „sonst verschieben sich die geplanten Eröffnungen – etwa vom Grünen Gewölbe – glatt um drei Jahre!“

Von den 100 Millionen Euro des Kulturstätten-Hilfsfonds, den Nida-Rümelin aufzubauen verspricht, reklamierte Minister Rößler schon einmal 90 Prozent für Dresden. Das mag in der Hektik des Tages gesagt worden sein. Roth weiß genau, dass es kein hübsch saniertes Dresden inmitten eines zur Kulturwüste verdorrten Landes geben kann. Von der Soforthilfe in Höhe von drei Millionen Euro gehen denn auch 1,22 Millionen an Einrichtungen in kleineren Gemeinden bis hin zur „Papiermühle Nierderzwöhnitz“.

Doch die Schadensbeseitigung muss ergänzt werden um Konzepte für die Zukunft – eine Zukunft, die vermutlich nicht noch einmal 501 Jahre verstreichen lässt, bis es zur nächsten Flut solchen Ausmaßes kommt, wie der geschichtsbewusste Roth ahnt. Er will, was er schon zuvor „angedacht“ hat: ein Zentraldepot für die Gemäldegalerien Alter und Neuer Meister sowie die Skulpturensammlung, und zwar weit weg von der Elbe. Ob Kunstminister Rößler sich gegen den aus dem knausrigen Finanzministerium aufgestiegenen Ministerpräsidenten durchsetzen kann, wenn es um die nachhaltige Stärkung der Kultur in Sachsen geht, steht freilich auf einem anderen Blatt.

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