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Kultur: Der Unbeirrbare

Zum siebzigsten Geburtstag des Berliner Malers und Grafikers Manfred GraefVON HEINZ OHFFEr hat nie einen Preis bekommen, auch kein Stipendium - so etwas erhielten immer nur andere.Dabei arbeitete er an einem künstlerischen Werk mit seltener Konsequenz, was sich als Vor- und Nachteil zugleich herausstellen sollte.

Zum siebzigsten Geburtstag des Berliner Malers und Grafikers Manfred GraefVON HEINZ OHFFEr hat nie einen Preis bekommen, auch kein Stipendium - so etwas erhielten immer nur andere.Dabei arbeitete er an einem künstlerischen Werk mit seltener Konsequenz, was sich als Vor- und Nachteil zugleich herausstellen sollte.Berlin war zwar seit Moholy-Nagy immer auch eine Stadt konstruktiv-abstrakter Kunst gewesen.Trotzdem hat sich diese Kunst nie völlig durchsetzen können.Moholy-Nagy verließ die Stadt dann auch bald wieder.Manfred Graef, 1928 in Mutterstadt bei Ludwigshafen geboren, ist bis heute geblieben, obwohl auch er ein unbeirrbarer abstrakter Konstruktivist war und ist. Daß er, damals noch freier Gebrauchsgraphiker, nach Berlin, West-Berlin, kam, war, wie er sagt, eine politische Entscheidung.Sein merkwürdiges Kriegs- oder Nachkriegsschicksal spielte dabei eine Rolle.Als 16jähriger noch kurz vor Kriegsende an die Front geschickt, wurde er, hilflos versprengt, von der amerikanischen 6.Armee als "Werwolf" betrachtet und zehn Monate lang in Frankreich Verhören ausgesetzt, die der blutjunge Uniformierte kaum verstand.Der Erwachsene hat ein Buch darüber geschrieben, "Der Krieg ist aus", das 1984 erschien. Der Irrtum der Amerikaner und Franzosen bewirkte bei Graef eine lebenslange Verpflichtung zu politischer Aktivität.Jahre hindurch war die SPD seine intellektuelle Heimat.Er beteiligte sich an sozialen Projekten, stand vier Jahre hindurch der Aktion "Kunst im Krankenhaus" vor, aus der sich ein eigener Kunstverein entwickelte.In Berlin gab er aber auch, 1965, die Gebrauchsgraphik auf und widmete sich jener Kunst, deretwegen er zwei Jahre bei einer Künstlergruppe auf Ibiza verbracht hatte.Er fand eine neue Methode der Einbeziehung geometrischer Reihen und überhaupt geometrischer Funktionen in die konstruktivistische, inzwischen häufig als "konkret" bezeichneten Kunst. Das erforderte eine strenge Systematik, über die Graef wie viele andere durchaus verfügte.Was ihm allein gelang, war, daß seine netzartigen Gebilde, so errechnet sie sein mochten, doch auch Leichtigkeit hatten und Heiterkeit ausstrahlten.Sie besaßen und besitzen ihre eigene Ästhetik. Unter Experten erlangten sie sogar zeitweilig zu so etwas wie Berühmtheit.Mit Freunden gründete Graef 1966 die Zeitschrift "ZAAZ" (Der Titel ein Wort aus dem Sanskrit).In ihr erschienen die Arbeiten Graefs und seiner Mitarbeiter zwar anonym und unsigniert.Aber die Handschrift war seine und die Resonanz der monatlich erscheinenden Hefte relativ groß.Josef Albers, der Senior aller Konkreten, gehörte zu den begeistertsten Abonnenten und das New Yorker Museum of Modern Art verzeichnet die acht Hefte, die erschienen sind, noch heute in ihrer Archivliste. Viel Geld brachte das alles nicht ein.Graef hat oft am Rande des Existenzminimums gelebt.Wenn er heute von seinem luftig hoch über Friedrichshain gelegenen Atelier herabblickt, zeichnet sich so etwas wie ein spätes Happy-end ab.In den letzten Jahren hat sich seine Kunst gewandelt.Mehr als das: befreit hat sie sich von allzuviel Theorie.Aus dem Grafiker ist ein Maler geworden, ein Vollblutmaler sogar, der von weitem an Jackson Pollock erinnert, dem er übrigens ein Triptychon gewidmet hat, oder an den Italiener Dorazio.Wer näher herantritt, läßt solcherlei Ähnlichkeit kaum noch gelten.Graef hat ganz einfach ein weiteres Element seiner bisherigen Systematik hinzugefügt: den kaum systematisch zu erfassenden Glanz der Farbe.Geblieben ist die Ordnung, die sich wie ein Gewebe über die Leinwand erstreckt.Sie wird gestört und zugleich unterstützt durch, wie gesagt, die Farbe.Aber auch die Handschrift.Statt Lineal und Zirkel triumphiert der gute, alte Malpinsel. Das hat wohl neue Sammler angezogen, denn die Galerie Blickensdorff in der Kollwitzstraße zeigt alljährlich eine Ausstellung der neuen Bilder.Der Unbeirrbare hat sich nicht geirrt.Er ist seinen eigenen Weg gegangen.Und was sind Preise und Stipendien gegen eine Lebensleistung? Die Ausstellung zum Geburtstag läuft bis 30.Mai in der Galerie Blickensdorff, Kollwitzstraße 53, Mittwoch bis Sonnabend (14-21 Uhr).

HEINZ OHFF

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