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Kultur: Der Untergeher

Es wird bald ein Ende nehmen mit Silvio Berlusconi, und es wird kein gutes Ende sein. Aber wird er das Land, das er immer noch regiert, mit in den Untergang ziehen?

Es wird bald ein Ende nehmen mit Silvio Berlusconi, und es wird kein gutes Ende sein. Aber wird er das Land, das er immer noch regiert, mit in den Untergang ziehen? Sicher ist jetzt schon, dass die 17 Jahre seiner Regentschaft die Italiener und wohl auch die Europäer teuer zu stehen kommen. Nachdem die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Italiens herabgestuft hat, sind die Kosten für die Bedienung von Italiens 1900 Milliarden Euro Schulden gewaltig in die Höhe geschnellt. Der amerikanische Finanzexperte Nouriel Roubini hat eine kuriose Rechnung aufgemacht. Er schätzt, dass allein die Ankündigung von Berlusconis Rücktritt die Kosten für Kredite an Italien schlagartig um einen zweistelligen Milliardenbetrag senken würde, weil die Märkte dies als Signal für eine Erholung werten würden. Und der Premier? Er kommentierte die Herabstufung Italiens mit der Behauptung, Italien sei nach Deutschland das fitteste Land Europas.

Man muss es sich vor Augen halten: Während Italien in eine existenzielle Krise taumelt, leistet sich das Land einen sexsüchtigen Realitätsverleugner als Premier, der im Kreis seiner gekauften Gespielinnen unlängst verlauten ließ, er habe keine Zeit für Politik, das sei für ihn „eine Freizeitbeschäftigung“. Einen Premier, der ebenso gewohnheitsmäßig lügt, wenn er seine sexuellen Kräfte rühmt – seinem Spezi Gianpaolo Tarantini gestand der 74-Jährige, er habe von den ihm zugeführten zehn Damen leider nur acht in einer Nacht beglücken können –, wie wenn er über Italiens Wirtschaftskraft spricht. Einen Premier, der es wegen seiner laufenden Prozesse für das wichtigste Vorhaben seiner Amtszeit hält, zwei Millionen Italiener gegen den „Terror der roten Togen“ (gemeint sind Italiens Richter) zu mobilisieren.

Aber der wirtschaftliche Niedergang und die Kultur der Korruption und des Machismo, die mit Berlusconi an die Macht gekommen ist, sind nicht das einzige Erbe dieser Ära. Eine seiner Gespielinnen, Terry de Nicoló, hat auf Youtube einen bisher fehlenden Part nachgeliefert: Die 20-Jährige aus Bari, die durch viele Betten gewandert ist, bis sie es schließlich ins Bett des Premiers schaffte, hat nicht die geringsten Skrupel, ihr Lebensmotto zu verraten. Es handelt sich sozusagen um ein Manifest für Frauen, die buchstäblich „auf ihrem Glück sitzen“, ohne genug daraus zu machen. „Wenn du etwas erreichen willst im Leben, musst du deinen Arsch riskieren und über Leichen gehen – und es ist in Ordnung, dass es so ist.“

Natürlich findet Terry es auch in Ordnung, dass die Gespielinnen des Kaisers nach ihrem Liebesdienst mit Parlamentssitzen, Posten im Europaparlament oder auch mit Ministerwürden entlohnt werden. „Die Schönheit“, so zitiert sie Berlusconis ehemaligen Kulturminister Sgarbi, „ist ein Wert wie das Können eines Arztes“. Wenn du dich verkaufen willst, so Terry, „musst du dazu in der Lage sein. Wenn du hässlich bist, musst du eben zu Hause bleiben“.

Ein verdorbener Greis regiert Italien, immer noch. Wie lange wird es dauern, sein kulturelles und mentales Erbe zu bewältigen?

Peter Schneider lebt als Schriftsteller in Berlin und schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Kultur und Politik.

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