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Kultur: Der Vielgucker

ANDRÉ SCHEEDE Neulich hatten wir eine der ersten Jurysitzungen. Da haben mit einem Mal alle einen Film favorisiert, der in meinen Augen reiner Mainstream ist – sehr stylish, aber ohne Tiefe.

ANDRÉ SCHEEDE

Neulich hatten wir eine der ersten Jurysitzungen. Da haben mit einem Mal alle einen Film favorisiert, der in meinen Augen reiner Mainstream ist – sehr stylish, aber ohne Tiefe. Die Begeisterung hat sich dann auch als Scheinschwangerschaft antpuppt: Inzwischen findet ihn keiner mehr so toll. Ich habe einen sehr klaren Geschmack, was Filme angeht. Das liegt auch daran, dass ich sehr viel sehe. Letztes Jahr waren es 230 Filme. Wenn man so viel sieht und vergleichen kann, schärft sich die Wahrnehmung. Alle Filme, die ich sehe, kommen in eine Datenbank. Da schreibe ich einen kurzen Kommentar rein und vergebe Sternchen von eins bis fünf. Jetzt als Juror mache ich das ähnlich, nur dass ich die Skala erweitert habe. Der beste Film kann zehn Sterne bekommen, so viele hat aber bisher noch keiner, nach oben hin ist noch eine Menge Platz. Was mir bisher ein bisschen fehlt bei den Filmen, ist der Mut zur krasseren Darstellung. Manchmal braucht man das: In einem Film, in dem es um einen türkischen Ehrenmord geht, sieht man die Frau totgefahren auf der Straße liegen. Das ist ein furchtbares Bild, aber sowas muss man sehen, damit man die Augen nicht verschließt.

Aufgezeichnet von Verena F. Hasel

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