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Kultur: Der Wahnsinn hat Methode

Reaktionärer Inhalt - moderne Masche: Der Erfolg der Rechtsradikalen bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt ist eine Herausforderung.Drei (ost-)deutsche Schriftsteller nehmen StellungVON MONIKA MARON Normale und VerrückteVor kurzem kam ich auf dem Weg von Weimar nach Berlin durch einige Sachsen-Anhaltinische Ortschaften, die dem sonntäglichen Scheintod anheimgefallen waren, so daß nichts Bewegtes die Blicke auf sich zog und als einziger optischer Reiz die frischen, weiß strahlenden DVU-Plakate die Straßen säumten.

Reaktionärer Inhalt - moderne Masche: Der Erfolg der Rechtsradikalen bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt ist eine Herausforderung.Drei (ost-)deutsche Schriftsteller nehmen StellungVON MONIKA MARON Normale und VerrückteVor kurzem kam ich auf dem Weg von Weimar nach Berlin durch einige Sachsen-Anhaltinische Ortschaften, die dem sonntäglichen Scheintod anheimgefallen waren, so daß nichts Bewegtes die Blicke auf sich zog und als einziger optischer Reiz die frischen, weiß strahlenden DVU-Plakate die Straßen säumten."Ausländer raus", las ich und fragte mich, ob solche Sprüche denn erlaubt sind.Das nächste Plakat las ich genauer."Kriminelle Ausländer raus", stand da.Das war offenbar erlaubt.Für diese Losung haben sich nun 12,9 Prozent der Anhaltiner entschieden, obwohl in Sachsen-Anhalt nicht einmal zwei Prozent Ausländer leben.Die meisten DVU-Wähler sind junge Männer.Das erschreckt die Kommentatoren besonders.Warum eigentlich? Junge Männer sind aggressiver, imponier- und trunksüchtiger als junge Frauen.Wenn die Mehrzahl der DVU-Wähler junge Frauen wären, müßten wir uns wirklich erschrecken.Das Wahlergebnis von Sachsen-Anhalt hat politische Ursachen und wird politische Folgen haben, aber daß es der Ausdruck eines politischen Willens ist, bezweifle ich.Die politische Willensbildung in Ostdeutschland beschränkte sich vierzig Jahre lang auf die dumpfe Ablehnung der Obrigkeit.Die politische Kultur des Ostens, in der nachwachsende Generationen lernen könnten, sich als Bürger eines demokratischen Staatsgebildes zu artikulieren, ist nach wie vor unterentwickelt. Aus diesem fragilen Grund führen die SPD und die CDU ihre Wahlkämpfe, als ginge es darum, den Gottseibeiuns zu besiegen.Der jeweilige Gegner (manchmal auch der Gegner in der eigenen Partei) wird demontiert, lächerlich gemacht, des Betruges, der Heuchelei und der Unfähigkeit bezichtigt, und wenn der leicht zu irritierende Teil (um ein stärkeres Wort zu vermeiden) des Wahlvolks am Wahltag wirklich glaubt, daß in allen Parteien nur Betrüger, Heuchler und Idioten regieren, weil im Getöse des Wahlkampfs nicht mehr auszumachen war, wer denn nun weniger heuchelt, lügt und verblödet ist als der andere, dann haben wir plötzlich wieder "zwei große demokratische Parteien".Und einen wirklichen Gegner, die DVU, gegen die selbst die PDS wie das kleinere Übel wirkt.Alle sind sich darüber einig,: Die Grünen sind verrückt; wer kurz vor der Wahl einen vernünftigen, aber unpopulären Vorschlag macht, muß verrückt sein.Aber vielleicht ist ja eine politische Praxis verrückt, die sich ihre Programme bis zur Ununterscheidbarkeit von demoskopischen Umfragen diktieren läßt, in der Beliebtheit das Argument ersetzt und die Verunglimpfung des Rivalen die eigene Qualität.Würden alle Parteien sich entschließen, so verrückt wie nötig zu sein und die unvermeidbaren Wahrheiten auszusprechen, wären die Grünen über Nacht normal.Vielleicht, nur vielleicht, würden die jungen Männer in Sachsen-Anhalt in solchem Klima eher verstehen, daß politischer Willen mehr ist als das dumpfe Gejohle der Meute. Von Monika Maron ist zuletzt der Roman "Animal triste" (S.Fischer) erschienen. Lesen Sie auch "

MONIKA MARON

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