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Kultur: Der Weg der Kunstwerke

Humboldt-Forum, wozu? Von Ryôsuke Ôhashi

Der japanische Kulturphilosoph Ryôsuke Ôhashi eröffnet am Montagabend im Alten Museum die Reihe „Was erwartet die Welt vom Humboldt-Forum?“Sie wird veranstaltet von der Stiftung Zukunft Berlin. Mit Ohashi diskutieren Sasha Waltz, Jochen Sandig, Rudolf Prinz zur Lippe und Volker Hassemer. Beginn: 20 Uhr.

In seiner Vorlesung von 1841 an der damaligen Friedrich-Wilhelms Universität zu Berlin sprach F.W. J. Schelling von den „fast unbeschränkt erweiterten Weltverbindungen“, durch die Orient und Okzident sich im „Weltbewusstsein“ durchdringen. Der Weltgeist verwirklicht sich in der Gestalt der Weltphänomene einschließlich der Kunst. In diesem Sinne baute Schinkel 1830 das Alte Museum auf: In der geräumigen Rotunde wurden die griechisch-römischen Kunstwerke ausgestell, die Hegel als Höhepunkt des Kunstschönen betrachtete. Allerdings war Hegel zufolge die Kunst als der Ort für den Weltgeist „ein Vergangenes“. Jetzt soll die Philosophie dieser Ort sein.

Seitdem hat die Kunst im Okzident ihrerseits Autonomie gewonnen und sich, statt zu vergehen, in äußerst mannigfaltiger Weise entwickelt. Es war auch die Zeit, in der Orient (Japan) und Okzident (Europa) in der Kunstwelt einander zunehmend durchdrangen. Heute muss man noch bewusster als Schelling von Weltverbindungen im Plural reden. Sie sind mannigfaltiger und zugleich enger geworden. Freilich drohen sie im globalen Netz der Kommerzialisierung zunehmend nivelliert zu werden. Umso stärker ist heute das Bedürfnis, einen Ort zu finden, wo sich diese Weltverbindungen lebendig darstellen können. Wo ist dieser Ort zu finden? Eine nahe liegende Antwort könnte lauten: im „Museum“. Aber in was für einem Museum?

Ein Überblick über die inzwischen so zahlreichen Museumskonzepte kann Anhaltspunkte geben. Die zentralistisch überwältigende Perspektive der Säle wie im Louvre in Paris oder im British Museum in London gilt heute als klassisches Muster. Das Museum Without Wall– so wurde die André Malraux Idee vom Musée imaginaire ins Englische übersetzt und im Internet ausgebaut – ist eine moderne Variante. Der lichte Tempel der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe löst die Grenze zwischen Räumen und Gängen auf. Der White Cube, wie im MoMA in New York, bietet einen neutralen Raum für die Kunstwerke. Der im neuen Pariser Musée du Quai Branly für außereuropäische Sammlungen lenkt den Blick auf die Anderen. Es gibt noch viele weitere Konzepte.

Man kann dort Hinweise auf das Gefüge des Ortes finden, den wir suchen. Dieser Ort braucht kein bestimmtes Gebäude, kein Museum im gewöhnlichen Sinn. Die Gänge aber sind darin wesentlich, wobei die Wände zwischen den Kulturen nicht nur durchsichtig, sondern auch durchgängig sein sollen. Die museale Neutralisierung der Kulturwerke als Objekte ist nicht mehr erwünscht. Sie sollen nicht „ausgestellt“ werden. Es gilt vielmehr, dass ihre Wege „mitgegangen“ werden können. Ein japanischer Beitrag zur Gestaltung des Orts liegt wohl im traditionellen Kunstbegriff „Geidô“, dem „Kunst-Weg“. Die Kunst wurde in Japan als Lebensweg gelebt und gegangen. Die Frage ist natürlich, ob und wie dieser Weg heute noch gegangen wird. Jeder, der fragt, wird selber in Frage gestellt. Wird dies im Humboldt-Forum geschehen?

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