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Kultur: Der weiße Schwarze

Er trinkt gerne Sliwowitz und isst am liebsten Backhendl. Zum Ausgleich boxt er oder schwimmt.

Er trinkt gerne Sliwowitz und isst am liebsten Backhendl. Zum Ausgleich boxt er oder schwimmt. Vor einer Woche kam er etwas ins Grübeln, als man seinen Geburtstag vorfeiern wollte. Doch das kümmerte die Wiener Prominenz wenig. Der österreichische Bundespräsident Thomas Klestil, mit dem Joe Zawinul schon seit der gemeinsamen Schulzeit befreundet ist, kam zur Feier ins Rathaus, und der Wiener Oberbürgermeister überreichte dem Pianisten den Goldenen Ring der Stadt.

Heute wird Joe Zawinul 70. Und der Mann kann erzählen. Bis heute schöpft er aus dem Vollen. Von Richard Bona zu Salif Keita, von Weather Report zu Miles Davis. 1958 ging Joe Zawinul in die USA. Das erste längere Engagement hatte er bei der Sängerin Dinah Washington. „Ich ging ja nach Amerika, weil ich lernen wollte. In Wien war für mich nichts mehr zu holen. Ich habe dann in der schwarzen Community gelebt und in schwarzen Bands gespielt. Und wenn ich im Süden gespielt habe, war es ganz selbstverständlich, dass ich bei Schwarzen wohnte. Die haben mich behandelt wie einen König. Man konnte in ihren Häusern vom Fußboden essen, sie haben ihre Kinder gut erzogen, das war alles sehr okay. Einmal hatte ich mit Dinah Washington einen Auftritt in Odessa, Texas, das Haus war ausverkauft, es war ein schwarzes Haus und der Besitzer war Schwarzer. Da wollte mich eine weiße Polizistin daran hindern, auf die Bühne zu gehen, und Dinah sagte, dass sie dann auch nicht singen wollte, und so sind wir durch die Hintertür ’raus. Die Leute haben dann den Laden zertrümmert, so war das damals."

„Soul Power“ wurde in jenen Jahren zum Synonym für ein neues schwarzes Selbstbewusstsein, den Glauben an die eigene Kraft, an Veränderung und Fortschritt. Soulful und funky, das bedeutete, musikalisch gesehen, vor allem sehr bluesbetont zu spielen und an den Anfängen der schwarzen Volksmusik orientiert. Titel wie „Moanin´“ und „Work Song“ symbolisierten das Verlässliche der schwarzen Erfahrung, die Stimmung, den Geruch, den Geschmack, den Sound, das Greifbare der afroamerikanischen Alltagsgeschichte und damit die main ingredients der oralen Tradition.

Zu einer der wichtigsten Bands dieser Epoche wurde die des Saxofonisten Cannonball Adderley. Die Pianisten nahmen in den Adderley-Bands immer eine Sonderrolle ein, ob Bobby Timmons oder, von 1961 bis 1970, Joe Zawinul, sie garantierten Klangfarbe und steuerten ganz große Hits bei. Zawinul war in den sechziger Jahren der einzige Weiße in der Adderley Band, was dem Bandleader auch Kritik von Seiten der einflussreichen Black Muslims einbrachte.

Der Pianist Victor Feldman hatte Joe Zawinul mal von einem Typen ns Harold Rhodes erzählt. Er hatte das E-Piano erfunden, das Zawinul spielen wollte. Heute ist das Fender Rhodes das bekannteste E-Piano der Musikgeschichte, in der aktuellen Ambient-, Lounge- und Soul-Musik ist es omnipräsent. Mit „Mercy, Mercy, Mercy“ schrieb Joe Zawinul 1966 für die Adderley Band einen Top-Ten-Hit und eine Soul-Hymne für das E-Piano, damals spielte er es auf einem elektrischen Wurlitzer Piano.

„Als der damalige Weltmeister im Hochsprung, John Thomas, das Intro hörte, sagte er ,Mercy, Mercy, Mercy’, und so kam es zu dem Titel. Wir nahmen ihn dann später in Los Angeles vor einem Studiopublikum auf. ,Mercy, Mercy, Mercy’ wurde zu unserem Erkennungsstück, zeitweilig war es sogar ein politischer Message-Song. Wir haben damals allein über eine Million Singles mit dem Stück verkauft. Der Lebensstil meiner Familie hat sich daraufhin verändert, aber nicht der Charakter.“

Heute wird Joe Zawinul 70 Jahre alt. Am 17. Juli gibt er sein Geburtstagskonzert beim Münchner Klaviersommer. Seine neue CD unter dem Titel „Faces & Places“ erscheint im September. Christian Broecking

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