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Kultur: Der Westen schaut zu

Außer Konkurrenz: Terry Georges Völkermord-Drama „Hotel Rwanda“

Die Frage ist die gleiche wie bei „Schindlers Liste“: Kann man, darf man mit den Mitteln des Hollywood-Kinos von einem Völkermord erzählen? Die Hutu töten die Tutsi, 1994 in Ruanda. In 100 Tagen schlachten sie fast eine Million Menschen ab, während die UN-Truppen abziehen. Kein Stoff für einen Spielfilm – wer will das schon sehen?

Andererseits gibt es in „Hotel Rwanda“ diesen bewundernswert tapferen Mann: Paul Rusesabagina, gespielt von Don Cheadle. Er ist Hutu, Manager eines Sabena-Hotels in Kigali, verheiratet mit Tatiana, einer Tutsi. Er rettet 1268 Tutsi vor den Macheten seiner Landsleute, indem er das Hotel in eine Fluchtburg verwandelt. Selbst von Todesängsten geplagt, dealt er mitten im Massaker mit einem verzweifelt-bemühten UN-Colonel (Nick Nolte), mit Polizeioberen und fanatischen Hutu-Milizen.

Aus Notwehr erfindet er fantastische Überlebensstrategien: Er trickst, agitiert, kauft Familien frei, besticht die Mörder mit Whiskey, schaltet den Sabena-Chef im fernen Brüssel ein, fahndet nach verschollenen Verwandten, setzt die Ausländer moralisch unter Druck. „Wir müssen sie beschämen, damit sie uns helfen“, sagt er. Ein Verteidiger der Menschlichkeit mitten in der Hölle, ein liebender Familienvater, ein Retter, ein echter Hollywood-Held. Und eine wahre Geschichte: Paul Rusesabagina beriet das Team.

Regisseur Terry George ist Spezialist für Konfliktstoffe: Er schrieb und verfilmte Irland- und Vietnamkriegs-Stoffe. Er macht das auch jetzt sehr clever: Ein schickes Hotel ist hübscher anzusehen als die Straßen von Kigali, eine Oase in einer Welt des Terrors, die den Ruanda-Konflikt in überschaubarem Rahmen hält. Die Hölle da draußen, das ist die Hasspredigt im „Hutu Power Radio“, der Blick aus dem Auto, hinter den Zaun. Für den Zuschauer sind die kurzen, meist schemenhaften Szenen vom massenhaften Morden schon grausam genug.

Die Gewalt wird in homöopathischen Dosen verabreicht. Hinterher liegt Paul seiner Frau in den Armen, schaut den tanzenden Waisenkindern zu. Der Horror wechselt mit Momenten des Melodrams: das bewährte Wechselbad der Gefühle. Und doch beschleicht die Zuschauerin ein Unbehagen ob der eigenen ästhetischen Bedenken. Ist der Zweifel an der Redlichkeit von Terry Georges gefälliger Machart vielleicht nur Abwehr? Wie unzulänglich sie auch formuliert sein mag, die Anklage des Films richtet sich ja zu Recht gegen uns. Gegen die Ignoranten, die den Völkermord in Ruanda geschehen ließen und die wenigen aufrechten Journalisten auch noch abzogen – wie im Film den zu Tode beschämten Kameramann Jack (Joaquin Phoenix).

„Wir sind ja nur Schwarze, schlimmer: nur Afrikaner“, erregt sich Paul, als ein paar ausländische Soldaten die weißen Touristen evakuieren. Die verschanzen sich hinter den Scheiben des Flughafen-Busses und machen besorgte Gesichter. Ein Bild des Hohns – und der Wahrheit, nicht nur über das Beobachtungs-Mandat der UN: Genauso sitzen wir ja im Kino. Der Bus lässt die Schwarzen zurück, freigegeben zum Töten.

Als Paul das Hotelgelände verlässt, um Lebensmittel zu organisieren, beginnt der Lieferwagen entsetzlich zu schaukeln. Auf der Straße liegen Hunderte von Leichen. Er kann nicht anders, als über sie hinwegzufahren. Filme wie „Hotel Rwanda“ sind ähnlich ruckelnde Vehikel: Von der Ungeheuerlichkeit des Völkermordes können sie nur hilflos, ja skrupellos erzählen. In seinen besten Momenten macht sich Georges Film genau davon ein Bild.

Heute 22.30 Uhr (Berlinale-Palast), morgen 15 Uhr, 23.30 Uhr (Urania), 20 Uhr (International)

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