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Kultur: Der Wildhüter

Nick Brandts Tierporträts in der Berliner Galerie Camera Work

Ausgerechnet ein Tierfoto erzielte im Oktober bei Christie’s in New York einen Höchstpreis von 192 000 Dollar. Aufgenommen hat es Peter Beard, der zu den bekanntesten Tierfotografen der Welt zählt. 1955 reist dieser erstmals nach Afrika, begleitet von Charles Darwins Urenkel. Seine tiefe Faszination für die afrikanische Wildnis lässt ihn nicht wieder los. Genau 50 Jahre später ergeht es dem Video-Regisseur Nick Brandt genauso – nur dass er im Gefolge von Michael Jackson unterwegs ist. Auf einer Reise in die afrikanische Savanne Mitte der Neunziger macht Brandt Tieraufnahmen für Jacksons Videoclip zum „Earth Song“ – und entdeckt seine Liebe für wilde Tiere. Und noch eins haben Beard und Brandt gemeinsam: Beide kommen aus einer Welt des Glamours. Beard war im New Yorker Jetset zu Hause, kannte Andy Warhol und die Rolling Stones. Brandt filmte Pop-Ikonen und war selbst ein Star der Musikvideo-Branche.

Heute porträtiert er Elefanten, Giraffen, Löwen oder Zebras. „Die Zeit als Regisseur habe ich endgültig hinter mir gelassen – für mich hat ein anderes Leben begonnen“, sagt Brandt. In seinem neuen Job ist er meist allein, fährt in einem Jeep durch die afrikanische Savanne. Nur ein Wildhüter ist dabei, zur Sicherheit. Während andere wie Tier-Paparazzi mit flintengleichen Riesenteleobjektiven auf der Lauer liegen, um im richtigen Moment ein Foto jagender Geparden oder kämpfender Flusspferde zu schießen, macht Brandt das Gegenteil. Ruhe und Respekt prägen seine Arbeitsweise und seine Fotografien. Bewusst nutzt er keine Teleobjektive, nähert sich stattdessen den Tieren auf wenige Meter. Manchmal schleicht er sich zu Fuß an, nur bewacht von seinem Wildhüter, der die Flinte im Anschlag hält. „Don’t try this on safari“, warnt der Londoner etwaige Nachahmer. Er weiß, in welche Gefahr er sich begibt – für diesen einen perfekten Moment, in dem das Tier die richtige Pose eingenommen hat.

So entstehen Bilder, die immer auch eine Sehnsucht transportieren: nach Freiheit, Ursprünglichkeit und Exotik. „Die Tiere sind ikonisch“, sagt Brandt, der die Landschaft und Tierwelt Ostafrikas als „mythisch“ empfindet. Gerade die ästhetische Überhöhung der Bilder verleitet manchen dazu, Brandt als den Helmut Newton der Tierfotografie zu bezeichnen. Doch obwohl die Preise von dessen kühlen Schönheiten weit entfernt sind, haben auch Tierfotografien einen internationalen Markt. Brandts Motive gibt es in drei Formaten und, je nach Größe, in verschiedenen Auflagen. Bereits zur Ausstellungseröffnung wurde ein Großformat (Aufl. 5) für rund 20 000 Euro verkauft. Zu sehen ist ein Elefant, der gerade eine Staubwolke aufwirbelt, die sich optisch mit den Wolken in der Weite der Savanne vereint. Kleinere Fotos sind ab 900 Euro zu haben und auf 30 oder 35 Stück limitiert. Dabei beeinflusst die Bildgröße durchaus die Wirkung der Arbeiten. Im Großformat werden die Tiere zu Individuen mit unverwechselbarem Ausdruck: Stolz, Angst, Aggressivität oder Unterwürfigkeit glaubt der Betrachter zu erkennen. Ein Spagat: Brandt gelingt es, trotz dieser – fast kitschigen – Vermenschlichung beim Betrachter Ehrfurcht vor der Schönheit der Natur und der Würde der Tiere zu wecken. „Genau das will ich erreichen“, sagt Brandt. „Ich möchte zeigen, dass diese Tiere eine Persönlichkeit haben. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich Menschen oder Tiere porträtiere.“

Brandt will so den Tieren ein Denkmal setzen. Manche seiner Arbeiten zeigen Herden, in denen das Individuum zum anonymen Vertreter seiner Gattung wird. In anderen Aufnahmen setzt er das Licht- und Schattenspiel der afrikanischen Landschaft ein, lässt Perspektiven verschmelzen oder formt aus Giraffenhälsen dekorative Stillleben. Manche Porträts sehen aus, als habe Brandt den Tieren sagen können, wie sie sich aufstellen sollen. „Bitte lächeln, den Kopf noch ein bisschen nach links, vielen Dank.“ So beherrscht er die Natur für einen winzigen Augenblick und bringt einen Hauch von Glamour in die Tierfotografie. Vielleicht liegt darin das Geheimnis seines Erfolgs.

Galerie Camera Work, Kantstraße 149, bis 7. Januar; Dienstag bis Sonnabend 11 – 18 Uhr.

Dagny Lüdemann

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