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Kultur: Der Wolf in dir

Die Frage, ob ein Werwolf ein Fall für Kommissare ist, können wir an dieser Stelle nicht kompetent beantworten. Sicher ist jedoch, dass Werwölfe dankbare Objekte sommerlicher Musicalunterhaltung sind – auch an einem Haus, das sich als „Berliner Kriminaltheater“ in erster Linie justiziablen Fällen verschrieben hat.

Die Frage, ob ein Werwolf ein Fall für Kommissare ist, können wir an dieser Stelle nicht kompetent beantworten. Sicher ist jedoch, dass Werwölfe dankbare Objekte sommerlicher Musicalunterhaltung sind – auch an einem Haus, das sich als „Berliner Kriminaltheater“ in erster Linie justiziablen Fällen verschrieben hat. Am Mittwoch feierte man hier die Premiere von „Fletsch“. Das Musical dreht sich um den Versicherungsangestellten Stanley, der durch den Biss der rassigen Werwölfin Esther den Wolf in sich entdeckt. Das 1993 entstandene Stück basiert auf Roger Di Silvestros Roman „Werwölfe küssen gut“. Die Musik stammt von Marc Schubring, die lockeren, sprachwitzigen Gesangstexte schrieb Wolfgang Adenberg. Das Duo präsentierte sich letztes Jahr in Berlin erfolgreich mit dem Musical „Emil und die Detektive“.

„Fletsch“ hat viel vom Wert eines guten Krimis: als Unterhaltung, die intellektuell nicht beleidigt und beiläufig die Randbereiche der eigenen Psyche kitzelt. Andreas Gergen und Gerald Michel haben das Stück so sparsam und effizient in Szene gesetzt, wie man es vom Team des Peanuts-Musicals „Du bist in Ordnung, Charlie Brown“ erwarten konnte; statt auf klamaukigen Gruselplunder setzen sie auf die höhere Kunst der Andeutung. Tom Deininger gibt Stanleys jagdlüsternen Vater mit ausdruckskräftiger Bassstimme, grinsender Mimik sowie der Bühnenpräsenz einer Charge aus Passion und Profession. Katharina Mehrling beeindruckt gesanglich wie darstellerisch im Wechselspiel zwischen der Werwölfin Esther und Stanleys Flamme, der zickigen Büropflanze Daisy. Leon van Leeuwenberg überzeugte als Stanley nur dort, wo die Bestie in ihm Kontrolle über das Weichei gewinnt.

Dass diese Seite seines Wesens auf der Bühne nie zur Gänze ausbrechen durfte, gehört zu den Schwächen des Stücks. Gerade in der zweiten Hälfte, die nach Stanleys Coming-out als Wehrwolf eine Steigerung ins Gruselig-Erotische erhoffen ließ, verliert die Story an Fahrt. Schon Esthers Kakerlakenpicknick reizte trotz einer reimwitzigen Registerarie ekliger Lieblingsspeisen nicht wirklich zum Gruseln. Die piefige Prüfung Stanleys zur Wehrwolf-Reife konnte das Tier in diesem Manne erst recht nicht überzeugend zum Brüllen bringen. Bosheiten wie die, dass Stanleys Vater im Song von der Großwildjagd süße Bambis, Berliner Bären und lächelnde Smileys niedermäht, gönnt sich die Produktion zu selten. Diesem Wehrwolf fehlt noch etwas Biss. Carsten Niemann

Bis zum 4. 8. jeweils mittwochs bis sonntags

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