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Kultur: Der Zotenliebhaber

Er begann seine Karriere, wie es sich ein Autor nicht effektvoller wünschen kann: mit einem Paukenschlag. Der Spanische Bürgerkrieg lag gerade einmal drei Jahre zurück, die besten Autoren Spaniens waren entweder gestorben, ins Exil geflohen oder verstummt - Camilo José Cela startete inmitten einer vaterlosen literarischen Landschaft.

Er begann seine Karriere, wie es sich ein Autor nicht effektvoller wünschen kann: mit einem Paukenschlag. Der Spanische Bürgerkrieg lag gerade einmal drei Jahre zurück, die besten Autoren Spaniens waren entweder gestorben, ins Exil geflohen oder verstummt - Camilo José Cela startete inmitten einer vaterlosen literarischen Landschaft. In diesem Ambiente wirkte sein brillanter Romanerstling "Pascual Duartes Familie" (1942) unerhört frisch. Ein Buch, das im Geist des Neorealismus hart, rauh und authentisch klang und bei dem Francos Zensoren dank der mehrfach geschachtelten Rahmenhandlung erst hinterher merkten, wieviel Sozialkritik in der Lebensbeichte des mordenden und vergewaltigenden Protago- nisten steckt. Seit damals prägte Cela das literarische Leben Spaniens. Niemand gewann so viele Literaturpreise wie er, keiner wurde schon zu Lebzeiten so demonstrativ als Klassiker inthronisiert. 1957 wurde er Mitglied der Königlichen Akademie für Sprache und Dichtung, seit langem sind seine Bücher Schullektüre. Und doch liegt ein Schatten über Celas Büchern: Der, den er selbst auf sie geworfen hat durch seinen ungebremsten Drang zu Selbstdarstellung, durch seine Selbstüberschätzung, seine von ihm selbst nie geleugnete Arroganz. Den Nobelpreis oder den Cervantes-Preis etwa empfing er nicht, er forderte sie als längst überfällige Anerkennungen ein, und wenn er sie erhalten hatte, sagte er Sätze wie: "Verdammt, es wurde auch Zeit."

Sein bekanntestes Buch ist sicherlich "Der Bienenkorb" (1951), verfilmt von Mario Camus, ein vielstimmiges Porträt des menschlich und moralisch pauperisierten Madrid der Nachkriegszeit. Den Bürgerkrieg, dieses spanische Trauma, stellte Cela später in den Mittelpunkt seiner beiden formal anspruchsvollsten Romane "San Camilo 1936" (1969) und "Mazurca für zwei Tote" (1983). Neben vielen weiteren Romanen veröffentlichte er Reiseberichte, Lyrik- und Essaysammlungen. Wenn man auch am bleibenden Wert einzelner Werke zweifeln darf, zwei oft übersehene publizistische Anstrengungen Celas verdienen höchsten Respekt. Zum einen das 1968 von ihm herausgegebene "Geheime Wörterbuch": Es erfasst systematisch den im Spanischen seit den Zeiten der Inquisition tabuisierten und vielleicht gerade deshalb immens reichen sexuellen Wortschatz; ein Wortfeld, mit dem zu spielen Cela immer wieder ein königliches Vergnügen bereitete, mal zotig in Interviews, mal in virtuosen Erzählgirlanden wie in der Erzählung "Die ungewöhnliche und ruhmreiche Heldentat der Rute von Archidona". Zum anderen die "Papeles de Son Armadáns": Von 1956 bis 1979 leitete Cela diese Literaturzeitschrift weitgehend in eigener Regie. Hier waren auch Texte in den vom Regime unterdrückten Regionalsprachen Katalanisch oder Galicisch zu lesen, außerdem zahlreiche Exilautoren.

Gestern ist Camilo José Cela in Madrid an Herzversagen gestorben. Er wurde 85 Jahre alt.

Albrecht Buschmann

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