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© dpa

Design: Stühle rücken

Schiefe Ideen: Der Designer Stefan Wewerka wird 80. In den sechziger Jahren verrückte er im Umfeld des Kölner Fluxus’ auf höchst vergnügliche Weise die Perspektiven von Kunst und Leben.

Möbel deformieren, Mobiliar dekonstruieren: In den sechziger Jahren verrückte der Künstler Stefan Wewerka im Umfeld des Kölner Fluxus’ auf höchst vergnügliche Weise die Perspektiven von Kunst und Leben. Da wuchs das Hinterteil eines Stuhls aus einer Wand, die Einzelteile eines Sitzmöbels wurden via Gürtel zum „Wanderstuhl“ verschnürt, und auf dem windschnittigen Classroom-Chair geriet der Bildungskanon schon damals in eine gefährliche Schieflage.

Ende der siebziger Jahre ließ sich Wewerka als Gestalter der Klassiker-Firma Tecta anheuern, entwarf einen Tisch, aus dem ein Kreis herausschwebte, einen Küchenbaum oder den Dreibeiner B1, der bequem sieben verschiedene Sitzhaltungen erlaubt. Funktionalismus und windschiefe Ideen – das war für den Designer Wewerka kein Widerspruch.

Ursprünglich hatte der am 27. Oktober 1928 als Spross einer Künstlerfamilie geborene Wewerka Architektur bei Bruno Taut studiert, im Büro von Hans Scharoun gearbeitet und als Baumeister in den USA und in Deutschland gelehrt. Bereits 1956 entwickelte er als Gegenentwurf zu den üblichen Gebäude-„Kisten“ Erdarchitekturen. Utopien, die allenthalben Kopfschütteln ernteten. Bald wurde dem Avantgardisten die Architektur zu eng, er wechselte zur Kunst und zum Design – und verformte fortan dennoch nicht nur Alltagsgegenstände zu tanzenden, dynamischen Skulpturen. 1987 entwarf Wewerka für die Documenta 8 einen Pavillon, der Architektur und Skulptur miteinander vereint und heute für die Kunstakademie Münster Experimentierfeld, Ausstellungsort und -stück in einem ist. Daneben hat Wewerka Filme gedreht, Schmuck und Mode designt, gemalt und gezeichnet, seit zehn Jahren baut er Stahlskulpturen.

Wem also soll man zum 80. Geburtstag am heutigen Montag gratulieren? Gewiss einem der vielseitigsten und im besten Sinn schrägsten deutschen Künstler, einem Einzelgänger, der seiner Zeit stets vorauseilte und weiterhin zu entdecken bleibt, da Kunst und Design ja vielerorts neue Verbindungen eingehen. Zum Beispiel in einer Geburtstags-Ausstellung, die das Berliner Möbelhaus Modus (Wielandstr. 27/28) ab 6. November dem Multitalent widmet. Michaela Nolte

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