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Kultur: Deutsch-türkisches Anwerbeabkommen: Raus aus der Nische. Wirtschaftlich ist die Integration geglückt. Aber es hapert bei den Deutschkenntnissen

Am 16. November ist der große Tag des Mehmet Ali Erbil.

Am 16. November ist der große Tag des Mehmet Ali Erbil. Dann versammeln sich türkische Familien in Deutschland wieder massenhaft vor dem Fernseher, um ihren Lieblingsstar, den Moderator des türkischen "Glücksrads", zu sehen. Die deutsche Version der Sendung reizt die wenigsten. "Das kann man nicht vergleichen. Die türkischen Entertainer haben einfach viel mehr Witz", sagte Ali Demir, Produkt-Manager von Arbomedia.net dem Tagesspiegel. Das Unternehmen vermarktet Werbezeiten türkischer Sender in Deutschland und ist damit nach Auskunft Demirs zunehmend erfolgreich.

"Türken in Deutschland bewahren zwar ihre Kultur, Mentalität und Sprache, weshalb zwei Drittel von ihnen auch lieber türkisches als deutsches Fernsehen schauen, beim Konsum wollen sie aber mit ihren deutschen Nachbarn mithalten", sagt der 32-Jährige. So ist es wohl auch keine Überraschung, dass Markenunternehmen wie Daimler-Chrysler oder die Telekom in türkischen Sendern um neue Kunden werben. "Aldi, das war gestern", bringt Demir das Konsumverhalten türkischer Migranten auf den Punkt, "heute legen türkischstämmige Kunden Wert auf Qualität." Wirtschaftlich scheint sie also weitgehend geglückt, die Integration der früheren Gastarbeiter, die immerhin eine jährliche Kaufkraft von 33 Milliarden Mark repräsentieren. Ein Viertel aller türkischen Familien besitzt sogar ein Eigenheim in Deutschland.

Auch Faruk Sen, der Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT) zieht 40 Jahre nach der Ankunft der ersten türkischen Gastarbeiter in Deutschland eine positive Bilanz der Migration. Von den heute 2,5 Millionen Einwanderern seien immerhin weit mehr als 400 000 deutsche Staatsbürger geworden, sagte Sen dem Tagesspiegel. "Und die werden inzwischen von allen politischen Parteien umworben." Die Zahl der türkischstämmigen Politiker nehme ebenfalls stetig zu, so der Wissenschaftler.

Schwierigkeiten sieht Sen nach wie vor bei den Sprachkenntnissen der türkischen Migranten. Er mahnt daher ein größeres Angebot von Sprach- und Integrationskursen an. "Auch heute lernen noch immer viele Kinder zunächst nur Türkisch, da ihre Mütter als so genannte Heiratsmigrantinnen nach Deutschland gekommen sind und kaum Deutsch sprechen." Das Ergebnis: Nur acht Prozent der türkischen Schüler machen Abitur, ganze 1000 im Jahr schließen ein Hochschulstudium ab. Jahr für Jahr holen rund 70 000 Männer und auch viele Frauen einen Ehepartner aus der Türkei nach.

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne) forderte am Montag, die staatlichen Ausgaben für Sprachkurse von derzeit 320 Millionen Mark jährlich deutlich zu erhöhen und jedem Zuwanderer künftig 600 Deutschstunden zu ermöglichen. "Nur wenn wir die Menschen dazu animieren, die Sprache ihrer neuen Heimat zu lernen, können wir verhindern, dass sie sich in ethnische Nischen zurückziehen", sagt auch Faruk Sen.

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