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Kultur: Deutsche Außenpolitik: Klub der Veteranen

Sieht die Bundesregierung die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland durch die innenpolitischen Querelen um die Vergangenheit des zuständigen Ministers behindert? Die Bundesregierung in Gestalt der stellvertretenden Regierungssprecherin Charima Reinhardt guckt ein bisschen gequält.

Von Robert Birnbaum

Sieht die Bundesregierung die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland durch die innenpolitischen Querelen um die Vergangenheit des zuständigen Ministers behindert? Die Bundesregierung in Gestalt der stellvertretenden Regierungssprecherin Charima Reinhardt guckt ein bisschen gequält. "Nein", sagt Reinhardt dann. Die Frage kam am Montag Mittag nicht von ungefähr. Aufgeworfen hat sie kurz vorher Guido Westerwelle. Der FDP-General will spätestens in zwei Wochen im Bundestag von Joschka Fischer eine Antwort hören. "Warum schweigt der Außenminister zum Vorgehen der Amerikaner und Briten gegen Irak?" fragt Westerwelle. Warum habe der Außenminister ebenfalls geschwiegen, als in den Palästinensergebieten unlängst angebliche Kollaborateure Opfer von Lynchjustiz wurden? Und die dritte, die entscheidende Frage: "Ist er wegen seiner Vergangenheit nicht frei in seiner heutigen Politik?"

Mit Außenpolitik im engeren Sinne hat das wenig zu tun. Aber der Freidemokrat weiß um die Brisanz, die der Vorwurf der außenpolitischen Handlungsunfähigkeit birgt. Seine FDP hat lange davon gezehrt, sich als Garant außenpolitischer Zuverlässigkeit darzustellen. Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, schließlich Klaus Kinkel - das Auswärtige Amt war Erbhof der Partei über alle Koalitionen hinweg. Die FDP bestand auch deshalb stets auf diesem Ministerposten, weil Außenpolitik in einem geteilten Land an der Nahtstelle des Ost-West-Konflikts Lebens- und Überlebensthema war: Wer hier Sicherheit, Ruhe und Kontinuität versprach, wusste den Großteil der Deutschen hinter sich. Von dieser fast mythischen Bedeutung des Amtes, die Genscher wie kein Zweiter verkörperte, hat noch Fischer gezehrt. Als die rot-grüne Koalition die Ministerien unter sich verteilte, erfüllte er sich nicht nur einen Lebenstraum. Die Entscheidung für das Auswärtige Amt entsprang auch kühlem Kalkül: Nirgendwo sonst konnte der Ober-Grüne besser den Wandel von der Alternativbewegung zur staatstragenden Partei demonstrieren.

Mit der Bedeutung von Außenpolitik als Thema hatte der Entschluss schon weniger zu tun. Tatsächlich spielen außenpolitische Fragen im politischen Alltagsgeschäft zunehmend eine untergeordnete Rolle - im Wortsinne: untergeordnet der Innen-, der Parteipolitik. Selbst im Kosovo-Krieg haben die Binnen-Konflikte der Regierungsparteien fast eine größere Rolle gespielt als der Krieg selbst. Seit die Bomber nicht mehr fliegen, hat sich die Aufmerksamkeit vollends vom Ort des Geschehens abgewandt: Für die eigentliche außenpolitische Aufgabe - die Zukunft des Balkans in Europa - interessieren sich nur noch wenige Fachleute.

Alte Bekannte geben den Ton an

So ist das oft, und die Fachleute beklagen es seit Jahren. Gehör finden sie nicht. Spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges ist Außenpolitik auch im Bundestag und in den Parteien zum Thema von Expertenzirkeln geworden, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Die Mitgliederliste des Auswärtigen Ausschusses liest sich wie eine Veteranenversammlung: Vom Vorsitzenden Hans-Ulrich Klose (SPD) über den Vize Carl-Dieter Spranger (CSU) bis zu Gregor Gysi (PDS). Auch sonst geben auf dem Gebiet nach wie vor alte Bekannte den Ton an: Bei der Union sind es Volker Rühe oder Karl Lamers; bei der SPD Gernot Erler oder Hans-Ulrich Klose; bei der FDP Klaus Kinkel; bei den Grünen Helmut Lippelt.

Das hat nur am Rande damit zu tun, dass Außenpolitik eins der wenigen Themenfelder ist, bei dem Alter und Erfahrung positiv zu Buche schlagen. Gerade die Alten klagen über Mangel an Nachwuchs. Für Europapolitik lassen sich jüngere Abgeordnete noch gewinnen - aber die ist ohnehin zu großen Teilen eine Sonderabteilung der Innenpolitik geworden. Einstige Hauptbetätigungsfelder aber liegen brach. Mit "Sprachlosigkeit" beschreibt einer der Veteranen das Verhältnis zu den USA unterhalb der Regierungsebene: Kaum ein deutscher Parlamentarier, der noch von sich sagen könne, einen engen Draht zu den US-Kollegen zu haben. Auch die einst intensiven Kontakte nach Frankreich, nach Großbritannien, nach Italien, nach Moskau gehen zurück.

Außenpolitik, sagt einer der Jungen im Ausschuss, sei halt nicht karrierefördernd: "Alle reden von der größer gewordenen Verantwortung des größer gewordenen Deutschland in der globalisierten Welt. Aber über die Umfragewerte entscheiden die heimatnahen Themen: Rente, Steuern, verrückte Kühe ..." Auch die Alten machen gelegentlich irritierende Erfahrungen. Als Klaus Kinkel einmal den Nachfolger Fischer lobte, bezog er prompt Prügel im FDP-Präsidium: Ob der Grüne ein guter Außenpolitiker sei, dürfe ja nun wirklich für einen FDP-Politiker nicht die entscheidende Frage sein!

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