zum Hauptinhalt

Deutsche Guggenheim verlässt Berlin: Schön und schmerzhaft

Grandioses Finale bei der Deutschen Guggenheim: Die New Yorker zeigen zum Abschied von Berlin und der Deutschen Bank im Rahmen ihrer „Visionen der Moderne“ unter anderem Picasso, Matisse, Monet, Delaunay und Kandinsky. Die Zukunft der Kunsthalle Unter den Linden dürfte nun jünger und internationaler werden.

Irgendwie ist das gemein. Da verabschiedet sich das New Yorker Guggenheim Museum nach fünfzehn Jahren aus seiner Partnerschaft mit der Deutschen Bank und zeigt als letzten Gruß das Beste, was es hat. Picasso, Matisse, Monet, Delaunay, Kandinsky. Noch einmal trumpft das Kunsthaus mit den Klassikern der Moderne auf. Genauso effektvoll machen sich die Amerikaner davon, wie sie gekommen waren – in den schmalen, schlanken Saal, der nicht als Kassenhalle wiedererstanden, sondern zur eleganten Galerie umgewandelt worden war. Nach Restitution des einstigen Bankhaus-Sitzes war diese Neubestimmung eine Sensation. Berlin, die Hauptstadt, die sich noch zu finden suchte, deren Galerien- und Künstlerwunder noch nicht begonnen hatte, bekam eine Hand gereicht.

Deutsche Guggenheim, so lautete der Kombi-Name des Sprosses zweier Institutionen, und eine der wichtigsten Kunstadressen der Stadt war geboren. Über zwei Millionen Besucher kamen, um die insgesamt 61 Ausstellungen zu sehen. Künstler wie John Baldessari, Lawrence Weiner, Jeff Koons, die an Berlin vorübergegangen waren, fanden hier einen Ort. Die Mischung aus klassischer Schau zum Divisionismus, Impressionismus oder Konstruktivismus, Einzelausstellungen von Gerhard Richter, Neo Rauch, Hanne Darboven und neuer Positionen wie Agathe Snow, Collier Shorr und Miwa Yanagi machten den Reiz dieses Zwitterwesens aus, einer neuartigen Form von public private partnership.

„Visionen der Moderne“, das ist der letzte gemeinsame Akt. Das klingt nach einer Lehrstunde, die das Guggenheim den Bänkern erteilt, die ihre Galerie nun allein führen wollen. Gezeigt wird, was den Reichtum des Museums ausmacht: Highlights jener Gründerkollektionen des Industriellen Salomon R. Guggenheim und seiner Beraterin Hilla Rebay, der Sammlerinnen Katherine S. Dreier und Peggy Guggenheim sowie der Händler Karl Nierendorf und Justin K. Thannhauser. Auf deren Gaben baute das legendäre Museum auf, ihre Leidenschaft animierte Nachahmer zu eigenen Stiftungen, ihr Engagement war der Ausgangspunkt für eine weltweite Expansion als global player mit Standorten in Venedig, Bilbao, Salzburg, Helsinki oder Berlin.

Schön und schmerzhaft zugleich ist diese letzte Lektion, denn der Besucher bekommt mit diesen Juwelen der Kunstgeschichte vorgeführt, was er demnächst entbehrt. Nicht zuletzt in der Möglichkeit solcher Leihgaben bestand der Mehrwert einer Beziehung mit dem Guggenheim. Mit dem opulenten Akt von Amedeo Modigliani, den Abstraktionen El Lissitzkys und Aufsplitterungen von Albert Gleizes, den kubistischen Stillleben eines Juan Gris, dem Modell im Atelier von Fernand Léger macht das Museum dem Publikum das Herz nochmals schwer, denn auf lange Zeit werden die Klassiker der Moderne hier nicht mehr zu sehen sein. Die Neue Nationalgalerie zeigt bei ihrem Geschichtsgang durch das 20. Jahrhundert gerade als zweites Kapitel die Nachkriegszeit, ab kommenden Herbst die Jahre ab ’68, danach wird der Mies-van- der-Rohe-Bau renoviert. Das Mini-Version von „MoMA in Berlin“ führt vor, was fehlen wird.

Über den Abschiedsschmerz hilft auch nicht hinweg, dass vor der offiziellen Ausstellungseröffnung Stefan Krause, als Vorstandsmitglied verantwortlich für die Kunst, und sein Abteilungsleiter Friedhelm Hütte in der Lounge des Bankhauses von der Wiederauferstehung der Galerie 2013 als Deutsche-Bank-Kunsthalle berichten. Durch die abrupte Bekanntmachung vom Ende der Liaison Anfang des Jahres und der Ankündigung, stattdessen den Dialog zwischen Wirtschaft und Politik fördern zu wollen, wurde damals viel Porzellan zerschlagen. Auch wenn die Kunst wieder ihr Terrain gesichert hat und der Ausstellungsort erhalten bleibt, ist Misstrauen geweckt.

Die Zukunft: Die Deutsche-Bank-Kunsthalle

Die Trennung vom Guggenheim Museum mag nach zweimaliger Verlängerung des Partnerschaftsvertrages über jeweils fünf Jahre für alle Seiten sinnvoll sein. Beide haben voneinander profitiert: das Geld von der Kunst und umgekehrt. Die einen haben sich in der deutschen Hauptstadt bekannter gemacht, das BMW-Guggenheim-Lab dieses Sommers war nur noch ein weiterer Schritt. Die anderen bedienten sich der Zugkraft und kuratorischen Kompetenz des weltberühmten Museums und etablierten sich als angesehene Kunstadresse in der Stadt. Krause gab deutlich zu verstehen, wer von beiden die Loslösung vorantrieb. Die Bank wollte mehr als bloßer Geldgeber sein. Sie wollte im eigenen Haus das Programm bestimmen. Dass diese Scheidung wie im richtigen Eheleben nicht spurlos an den Beteiligten vorübergeht, zeigt sich daran, dass bis heute offen ist, wie die gemeinsamen jährlichen Auftragsarbeiten aufgeteilt werden.

Die Kollektion der Deutschen Bank hat zwar ihren Schwerpunkt bei Papierarbeiten, aber für die Entrees ihrer Dependancen in London und New York könnten auch die Bänker Installationen gebrauchen: etwa Rachel Whitereads gipserne Abgussform ihres Londoner Hauses, Phoebe Washburns Recycling-Installation „Regulated Fool’s Mill Meadow“, in der Rasenstücke gezüchtet wurden, oder Anish Kapoors tonnenschwere Stahlkapsel. Das offizielle „Handover“ soll im Frühjahr in New York erfolgen, heißt es.

Zu dem Zeitpunkt könnte gerade die neue Deutsche-Bank-Kunsthalle ihre erste eigene Schau eröffnen mit dem pakistanischen Maler Imran Qureshi als „Künstler des Jahres 2013“ (ab 15. 3.). Die Nominierung des hierzulande eher unbekannten Künstlers deutet an, in welche Richtung das künftige Programm geht, das internationaler und jünger werden soll. Die Zeit der großen Namen, der starken Setzungen scheint vorbei. Stattdessen wird die Zusammenarbeit mit anderen Museen, auch Berliner Institutionen, gesucht. Die inhaltliche Rückstufung drückt sich auch in der eigenen Bezeichnung aus, selbst wenn die Namensgeber bei dem Label vor allem an die sehr erfolgreiche Hypo-Kunsthalle in München dachten. Gewöhnlich sind Kunsthallen Durchgangsorte, nur so gut wie die gerade gezeigte Ausstellung. In Berlin besitzt der Name Kunsthalle noch einen ganz eigenen Klang durch den missglückten Gründungsversuch des Regierenden Bürgermeisters, der damit die Künstler stärker an ihre Stadt binden wollte.

Die Eröffnung der letzten gemeinsamen Ausstellung am heutigen Mittwochabend fällt zusammen mit einem Kolloquium des Kulturverwaltung, die herauszufinden versucht, wie die Kunststadt Berlin in fünf Jahren aussehen könnte, wie es um die Institutionen bestellt sein wird, um die Künstler und ihre Ateliers, ob die Marke noch immer international zieht. Das Ende dieser Liaison von Kapital und Kunst markiert auch eine Veränderung an ihrem Entstehungsort. Die letzten 15 Jahre waren gekennzeichnet von Aufbruch in der Kunst, einer boomenden Galerieszene, langsam aufschließenden Institutionen und zunehmender Verfestigungen. Die Zeit der Experimente scheint vorbei.

Gewiss, Guggenheim und Deutsche Bank sind jeder auf seinem Gebiet big shots, das Risiko eines Scheiterns für beide war eher gering. Die Neuorientierung seitens der Bank zeugt von einem Rückzug auf das eigene Arbeitsfeld. Die angekündigte stärkere Internationalität bezieht sich vor allem auf die weltweiten Absatzmärkte. Die von dort eingeladenen Künstler aber werden mehr erzählen als nur vom Geld.

Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13-15, bis 17. 2.; tägl. 10-20 Uhr.

Zur Startseite