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Edita Gruberová

©  Roberto Deverueux/Deutsche Oper Berlin

Deutsche Oper Berlin: Edita Gruberová singt "Norma": Gute Freunde kann niemand trennen

Seelenqualen: Edita Gruberová singt ihre Paraderolle Norma konzertant an der Deutschen Oper Berlin. Und der Zahn der Zeit nagt weiter.

Die Primadonna ist in der Stadt und ihr Publikum pilgert hin. Bangigkeit ist auch dabei: Schafft sie es noch? Wird Edita Gruberová wieder ihre seidigen Pianissimo-Koloraturen spinnen, um sich in der Cavatina mühelos zum hohen C abzustoßen? Wird die Königin des Belcanto, die im Dezember 70 wird, ihre Bravour- Arie mit jener fast unerhört subjektiven Eindringlichkeit gestalten, für die sie berühmt ist? Werden wir ihr alle zu Füßen liegen nach „Casta Diva“, dieser vergeblichen Beschwörung des Friedens in kriegerischen Zeiten?

Natürlich ist der Jubel groß bei der konzertanten Aufführung von Bellinis „Norma“ in der Deutschen Oper Berlin, auch wenn sich einzelne Buhs daruntermischen. Die Fans halten der Sopranistin die Treue. Respekt: Es ist eine Treue über alle Schwächen hinweg. Zwar gestaltet Gruberová die Partie, die sie sich erst 2003 erkämpft hatte und in Berlin zuletzt 2011 (ebenfalls konzertant) an der Staatsoper interpretierte, mit gehörigem Ausdruckswillen, als Porträt einer entsetzliche Seelenqualen leidenden Frau. „Son io“: Beim stillen, in ein schlichtes Quint-Intervall gekleideten Bekenntnis der Druidenpriesterin, dass sie selber wegen der Liebe zum feindlichen Römer Pollione (mit Strahlkraft und Schmelz: Fabio Sartori) den Scheiterhaufen verdient, hält man den Atem an. Aber Gruberovás ohnehin zum Manierismus tendierender Gesang ist weniger sensibel denn schütter. Manchen Ton schubst sie mit dem Zwerchfell auf seine Position, Intonation, Registerwechsel, Diminuendi – sie wollen ihr oft nicht gelingen.

Spätestens mit dem Auftritt von Sonia Ganassi wird der Unterschied klar

Fast fragt man sich, ob es am Ende nicht aufs Können ankommt. Wenn die Stimmen der Stars vom gnadenlosen Zahn der Zeit Blessuren davontragen, sollen sie dann verstummen? Oder genügt der Ausdruckswille? Warum soll Norma, wenn sie sich angesichts der jüngeren Rivalin Adalgisa verzweifelt an ihre verlorene Liebe erinnert, nicht in Gestalt einer Sängerin auftreten, deren glückliche Zeiten ebenfalls zur wehmütigen Erinnerung tendieren? Aber spätestens wenn Adalgisa auftritt, wird der Unterschied klar. Die Souveränität, mit der Sonia Ganassi jeder Herzensregung präzise Ausdruck verleiht und ihren Mezzosopran zudem bruchlos über zwei Oktaven führt, zeigt einmal mehr: Hier gilt’s der Musik, dieser erregten, radikalisierten Form der Sprache, nicht den Stars. Ganassi weiß Intensität mit Mühelosigkeit zu paaren, sie nimmt zudem Rücksicht auf Gruberová, wenn beide sich gegen Pollione verbünden und in unendlichen Terzen-Girlanden Einmütigkeit demonstrieren. Was für ein Frauenpakt.

Inszeniert wurde „Norma“an der Deutschen Oper zuletzt vor 80 Jahren. Es ist aber auch ein überhitztes, zugleich unterkomplexes Werk, voller Herzschmerz und Kriegsgerassel. Chor und Orchester machen unter dem einfühlsamen Dirigat von Peter Valentovic das Beste daraus, auch wenn man sich mehr innere Spannung und einen nuancierteren Chorgesang gewünscht hätte. Dazu der eherne Bass von Marko Mimica als Oroveso und die feinfühlige Clothilde von Rebecca Jo Loeb – Ovationen.

Noch einmal am 12. Mai um 19.30 Uhr

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