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Deutsche Oper: Donald Runnicles in der American Academy

Im Grunde findet ein Vorstellungsgespräch mit Verlesen des Lebenslaufs statt, nur dass der Kandidat längst eingestellt wurde.

Ein eigentümlich zahmer Abend in der American Academy: Pamela Rosenberg, Intendantin der Berliner Philharmoniker, befragt Donald Runnicles, neuer Generalmusikdirektor der Deutschen Oper und Chefdirigent des BBC Scottish Symphony Orchestra. Befragt? Ermuntert zum Plaudern, stellt zwischen seine ruhig auserzählten Geschichten bedächtige Kommentare, hält den Abend beieinander und lässt ihn nie schwierig werden. Schließlich übernimmt Runnicles schon ein schwieriges Haus in einer schwierigen Stadt. Außerdem kennt man sich aus langer, offenkundig harmonischer Zusammenarbeit an der San Francisco Opera, wo Runnicles bis zum letzten August tätig war.

Nun ist der gebürtige Schotte nach jahrzehntelangem Ausflug in die Staaten nach Deutschland zurückgekehrt, in ein Land, das auswärts als „Mekka für die Oper“ gilt und in das er 1978 gekommen war, um Operndirigent zu werden – auf dem Weg durch die Provinz, fast so wie Gustav Mahler, dessen knochenharte Laufbahn als Dirigent Runnicles sich früh zum Vorbild nahm. Wach und unprätentiös, vielleicht sogar etwas gemütlich, erzählt er nun davon, wie er in seiner Mannheimer Anfangszeit ohne Proben ganze Aufführungen dirigierte („eine Chance, an sich selbst zu arbeiten“), wie er in Bayreuth den mehr grummelnd-bellenden als sprechenden Wolfgang Wagner kennenlernte, betont, dass Berlin „bemerkenswert kosmopolitisch und kultiviert“ sei, weist hier ins Publikum zu Sasha Waltz, um seine Freude über zukünftige Kooperationen zu bekunden, und neigt dort den Kopf in ungewisse Richtungen, um zu bedeuten, dass man Produktionen, die in Amerika erfolgreich waren – John Adams’ „Doctor Atomic“ oder die spektakuläre Realisierung von Messiaens „Saint François d’Assise“ – nicht einfach nach Deutschland verpflanzen könne.

Im Grunde findet ein Vorstellungsgespräch mit Verlesen des Lebenslaufs statt, nur dass der Kandidat längst eingestellt wurde. Von „fast hysterischer Freude“ an der Deutschen Oper berichtet Rosenberg. Runnicles liege am Gespräch über das Gesamtkunstwerk „Oper“, er habe hohe Ansprüche und pflege dennoch eine positive Probenatmosphäre. Die Publikumsfragen nach Uraufführungen, Erziehungsarbeit oder Vernetzung innerhalb der Stadt umgeht Runnicles unterdessen charmant. „Kämpfen ist meine Sache nicht“, sagt er, mit Papageno und auf Deutsch. Er wolle Berlin nichts aufdrücken. Qualität und Einzigartigkeit seien wichtig, auch für die Jugend, die man im Übrigen früher und früher abholen müsse. Kooperationen finde er spannend, überhaupt sei er zu allen Schandtaten bereit. Da rutscht er abermals ins Deutsche, im Saal wird gelacht – die American Academy zumindest hat den roten Teppich für ihn breit ausgerollt. Christiane Tewinkel

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