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Deutsche Oper: Sonnenschein und Schattenspiele

Die Deutsche Oper Berlin startet mit einem Belcanto-Abend in die neue Musiktheatersaison - und mit einem weiblichen Romeo.

Vierzig Prozent Frauenquote in Führungspositionen? An der Deutschen Oper Berlin kein Problem. Da ist zunächst natürlich Kirsten Harms, die Intendantin, die bei der Eröffnungspremiere am Sonntag strahlt: Sie hat 5500 Abonnements für die Saison 2009/10 verkauft, mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr, sie hat den Autobauer Audi als neuen Sponsor gewonnen, und sie kann Klaus Wowereit als Ehrengast begrüßen. Ein Zeichen dafür, dass der Regierende Kultursenator Harms’ 2011 auslaufenden Vertrag entgegen allen Unkenrufen vielleicht doch noch verlängern wird? Für eine Entscheidung in der Intendantenfrage, wie auch immer, ist es allerhöchste Zeit.

Ein Coup ist auch die Verpflichtung von Barbara Schöneberger als „Spielzeit-Gesicht“ des Charlottenburger Musiktheaters. Die Entertainerin hat sich für vier allegorische Motive ablichten lassen, kostenlos, ein mäzenatisches Geschenk der Tochter aus einem Münchner Musikerhaushalt an die Deutsche Oper. Ab Mitte September wird sie auf Plakatwänden in der ganzen Stadt für die Neuproduktion der „Frau ohne Schatten“ werben. Und dann ist da schließlich Elina Garanca, eine primadonna assoluta, neben Anna Netrebko die derzeit präsenteste Opernsängerin in den Medien, die der konzertanten Aufführung von Vincenzo Bellinis Romeo-und-Julia-Oper „I Capuleti e i Montecchi“ Glanz und Glamour verleiht.

Die lettische Mezzosopranistin gibt in diesem Belcanto-Drama den jugendlichen Liebhaber, im schlank geschnittenen Hosenanzug mit goldenem Halstuch und ebensolcher Schärpe: ein Wesen nicht von dieser Welt, unnahbar schön wie die junge Grace Kelly, mit einer derart makellosen Stimme, einer derart mühelosen Tonproduktion, ob in männlichster Tiefe oder engelsgleicher Höhe, ob bei heiklen Koloraturen oder weit ausschwingenden Melodiebögen, dass man ihr geradezu eingeschüchtert lauscht.

Garancas Ehemann Karel Mark Chichon dirigiert den Abend. Aber er ist kein im Kleingedruckten versteckter Kapellmeister, den sich die Diva in ihrem Vertrag als willigen Begleiter garantieren lässt, sondern ein selbstbewusster, stilsicherer Interpret, der mit den Sängern atmet und das Orchester wie den Chor der Deutschen Oper zu Höchstleistungen anspornt. Ekaterina Siurinas Julia bildet das ideale Gegenstück zur blendenden Perfektion der Elina Garanca, ein zagendes, zauderndes Mädchen, zutiefst menschlich in ihrem unreifen Schwanken zwischen Gehorsam und Verlangen nach dem Geliebten. Weich schmiegt sich der Sopran der Russin den elegischen Gesangslinien Bellinis an, ihre Pianissimo-Seufzer gehen direkt ins Herz. Und weil die Deutsche Oper mit Dario Schmunck auch noch einen vorbildlich textverständlichen, elegant phrasierenden Tenor anbieten kann, kennt die Begeisterung im Saal keine Grenzen.

Jubel und Aufmerksamkeit tun den Seelen der Musiktheatermacher an der Bismarckstraße gut – zumal die nächsten beiden Events der Deutschen Oper denkbar ungeschickt platziert sind. Wenn Donald Runnicles am 20. September mit einer Repertoire-Aufführung des „Tannhäuser“ seinen offiziellen Einstand als Generalmusikdirektor gibt, hat parallel an der Komischen Oper „Rigoletto“ Premiere, inszeniert vom hauptstädtischen Publikumsliebling Barrie Kosky. Und wenn Kirsten Harms am 27. September dann ihre Deutung der Strauss’schen „Frau ohne Schatten“ präsentiert, dürften sich die meisten mehr für das Schicksal einer anderen klassikbegeisterten Dame interessieren, ein paar Kilometer weiter im Zentrum der Hauptstadt.

Weitere „Capuleti e Montecchi“-Aufführungen am 9. und 12. September.

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