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© David Baltzer

Deutsche Oper: Tischlein deck dich

Dietmar Schwarz, designierter Intendant der Deutschen Oper, stellt sich in Berlin vor.

Schneelawinen rutschen von den Dächern des Berliner Rathauses, während drinnen der Regierende Bürgermeister den neuen Intendanten der Deutschen Oper vorstellt. Dietmar Schwarz, Jahrgang 1957, bewegt sich vorsichtig auf dem glatten Berliner Opernparkett. Er ahnt, dass Tauwetter eine heikle Situation ist – wenn man sicher zu sicher fühlt, dass der Winter des Missbehagens nun endgültig vorbei ist. Neben dem sonnengebräunten und hoch zufriedenen Klaus Wowereit wirkt der gegenwärtige Basler Operndirektor wie jemand, der noch lange über die Vorstellung des letzten Abends nachgedacht hat. Auch für die Deutsche Oper, die zweifellos einen echten Karrieresprung darstellt, hat sich Schwarz erst nach reiflicher Überlegung entschieden. „Ich habe mich lange gefragt, ob ich der Richtige für das Haus bin.“ Und er, der als uneitler Teamplayer geschätzt wird, hat diese Fragen mit Kultursenator Wowereit diskutiert, bis er darauf vertraute, dass das Eis trägt. „Ich bin mir sicher, dass die Unterstützung von Seiten der Politik nicht ausbleibt.“

Den entscheidenden Eckpunkt seiner Intendanz ab der Saison 2012/13 hat sich Schwarz schon einmal absegnen lassen. Sechs Neuinszenierungen will er pro Spielzeit herausbringen, mit weniger sei eine Neuprofilierung von Berlins größtem Opernhaus nicht möglich. Das kostet Geld, ist zugleich aber überlebenswichtig, da es seit der Ära Zimmermann an der Deutschen Oper keine echte Repertoireerneuerung gegeben hat.

Schwarz will an der Deutschen Oper „den Tisch leer machen und neu decken“. Dazu sucht er auch das Gespräch mit Künstlern, mit denen er in Basel erfolgreich zusammengearbeitet hat. Doch die inszenieren längst an der Komischen Oper – und unter ihnen ist kein Name, den Donald Runnicles bisher als Regisseure seines Vertrauens genannt hat. Dennoch signalisiert der Generalmusikdirektor der Deutschen Oper in einem Grußwort aus San Francisco Einverständnis mit seinem neuen Intendanten: „Ich bin begeistert. Es lebe die Teamarbeit. Es lebe die Deutsche Oper.“

Leben ins Haus will Schwarz auch durch Uraufführen bringen und durch eine neue Studiobühne mit 199 Plätzen, die im Bereich der dann ausgelagerten Werkstätten entstehen soll. Hier wird Raum für neue Kinder- und Jugendopern sein, für junge Stimmen, neue Musik und Nachwuchsregisseure. Sorgfältig vermeidet es Schwarz, irgendeinen Namen fallen zu lassen. Lieber möchte er Ideen zusammen mit den Menschen an seinem künftigen Haus entwickeln. Dabei versucht er sich vorsichtig ebenso vom Image des Kulturmanagers abzuheben wie vom Typus des Künstlerintendanten. Und wirkt so ein bisschen wie der neue Chefcoach der Deutschen Oper, das Hemd aufgeknöpft, den Seidenschal kaum sichtbar unterm Jacket getragen.

Kirsten Harms geht im Sommer 2011, Dietmar Schwarz wird erst nach Erfüllung seines Basler Vertrags ab 1. 8. 2012 an der Deutschen Oper antreten. Bis dahin muss er an einem Konzept feilen, dass die große deutsche, italienische und (auf Wunsch von Runnicles) französische Oper neu für sein Haus entdeckt und zugleich die Auslastung steigert.

Nächste Station im Berliner Opernkarussel: Die Komische Oper sucht einen Musikchef als Nachfolger für Carl St. Clair. Zusammen mit Barrie Kosky soll der die Handschrift des Hauses ab Herbst 2012 prägen. Zu diesem Zeitpunkt beginnen auch Schwarz und Runnicles ihre Zusammenarbeit an der Deutschen Oper, während das Duo Barenboim/Flimm im Schiller Theater der Renovierung der Staatsoper entgegen spielt. Die von Wowereit viel beschworene „produktive Konkurrenz“ unter den Opernbühnen könnte dann ihren Frühling erleben. Die Zukunft für die drei Berliner Musiktheater hat wahrlich schon winterlicher ausgesehen. Ulrich Amling

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