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Wer gewinnt? „Toni Erdmann“ (o.) oder „Die Blumen von Gestern“.

© dpa

Deutscher Filmpreis 2017: Mit diesen Nominierungen tut sich die Akademie keinen Gefallen

Heute wird der Deutsche Filmpreis verliehen. „Die Blumen von gestern“, eine krude und fragwürdige Komödie, liegt mit acht Nominierungen vorn.

Von Andreas Busche

Die Deutsche Filmakademie ist immer für eine Überraschung gut. Die meisten Anwesenden bei der Bekanntgabe der Nominierungen für den Deutschen Filmpreis hatten sich auf ein kleines „Toni“-Festival eingestellt: Maren Ades Kritiker- und Publikumsliebling „Toni Erdmann“ gilt als haushoher Favorit bei der Lola-Verleihung am 28. April im Berliner Palais am Funkturm. Nun macht Chris Kraus mit „Die Blumen von gestern“ der vermeintlich gesicherten Saison-Bilanz einen Strich durch die Rechnung.

Achtmal ist die krude, geschichtspolitisch fragwürdige Vergangenheitsbewältigungskomödie nominiert, unter anderem in den Hauptkategorien Bester Spielfilm, Drehbuch, Regie und bei den Hauptdarstellerin. Das sind zwei Nominierungen mehr als die Vater-Tochter-Tragikomödie „Toni Erdmann“, die in den Hauptsparten mit „Die Blumen von gestern“ konkurriert. Selbst man wenn davon ausgeht, dass das Pendel bei der Gala im April in Richtung Maren Ade ausschlägt, muss man sich über die sechs Kandidaten für den besten Spielfilm doch wundern – allein für ihre Nominierung erhalten sie jeweils 250 000 Euro an kultureller Filmförderung seitens des Bundes.

Als hätte sie die Shortlist bereits geahnt, meint Akademie-Präsidentin Iris Berben im kurzen Vorabgespräch mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Vorstandsmitglied Meret Becker in der Deutschen Kinemathek in Berlin, wie schön es doch wäre, wenn der besucherstärkste Film des Jahres auch mal wieder in der Königsdisziplin nominiert wäre. Eine Bemerkung, die nahe legt, dass der Geschmack der 1800 wählenden Akademiemitglieder gewöhnlich am Mainstream vorbeizielt – nicht unbedingt verwunderlich bei einem Kulturpreis.

Berbens Wunsch wird jedoch prompt erhört: Mit „Willkommen bei den Hartmanns“ von Simon Verhoeven, gewissermaßen die Filmversion von Angela Merkels „Wir schaffen das“ – allerdings voller politischer Misstöne und wenig debattenförderlicher Ressentiments gegenüber Geflüchteten – befindet sich unter den sechs Nominierten auch der erfolgreichste deutsche Kinofilm 2016. 3,5 Millionen Besucher hat er bislang in die Kino gelockt. Dass es um die künstlerische Qualität des Films nicht sonderlich gut bestellt ist, zeigt sich schon daran, dass „Willkommen bei den Hartmanns“ in keiner anderen Kategorie auftaucht, anders als die übrigen Bester-Film-Kandidaten „24 Wochen“, „Wild“ und „Tschick“.

Die Nominierung von „Willkommen bei den Hartmanns“ wirft immer wieder gestellte Fragen auf. Die Vorwürfe des Nepotismus und der Intransparenz, die auch die charmante Lobbyarbeit von Iris Berben nicht aus der Welt schaffen kann, dürfte die Diskussion um die Lolas als Instrument der gremien- und regionaleffekt-unabhängigen Kulturförderung neu entfachen. Da kann man nur hoffen: Lass das mal den Toni machen!

Eine positive Nominierung ist "Wild" von Nicolette Krebitz

Maren Ades international mit 42 Preisen ausgezeichneter Film geht aus der Vorauswahl leicht geschwächt hervor. Nach der Bekanntgabe herrschte denn auch spürbare Verunsicherung unter den anwesenden Akademiemitgliedern, wie mit dem unerwarteten Ausgang umzugehen sei. Unter sportlichen Gesichtspunkten könnte man sich ja freuen, dass ein Außenseiter gegen einen haushohen Favoriten ins Rennen geht. Aber „Die Blumen von gestern“, dessen gezielte Provokationen eines gesellschaftlichen Konsens’ kontroverse Reaktionen hervorriefen, ist kein Außenseiter, auf dessen Seite man sich gerne schlägt. Eine deutsche Holocaustforscher-Komödie, in der eine Überlebende (die inzwischen verstorbene Sigrid Marquardt, nominiert als Nebendarstellerin) verkündet, dass sie keine Lust mehr auf „Opfergeschwätz“ habe, scheint allerdings genauso in unsere Zeit zu passen wie eine sogenannte Flüchtlingskomödie, die den Afrikaner am Ende doch wieder nur als Vermittler zwischen urdeutschen Befindlichkeiten gebrauchen kann. Damit tut sich die Akademie keinen Gefallen.

Freuen darf man sich über das Abschneiden der Frau-liebt-Wolf-Romanze „Wild“, die sieben Mal nominiert ist. Die Autodidaktin Nicolette Krebitz hat sich nie von Institutionen vereinnahmen lassen, und „Wild“ besitzt eine Rohheit, die man auch gerne mal in die Niederungen des Genrekinos abschiebt. Dass der Film so weit oben auf der Nominierungsliste steht, noch vor „Toni Erdmann“, ist eine positive Überraschung. Denn wie leichtfertig die Akademie herausragende Filme übersieht, musste Maria Schrader letztes Jahr schmerzlich erfahren.

Zumindest was die Quote angeht, macht die Lola 2017 Hoffnung. Drei von sechs nominierten Spielfilmen stammen von Frauen, bei der Regie sind es sogar drei von vier Nominierten. Daran kann man sich in Hollywood mal ein Beispiel nehmen.

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