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Hat den richtigen Groove: Posaunist Michael Buchanan

© John Cooper

Deutsches Symphonie-Orchester: Hört auf eure innere Stimme

Ein inspirierender Abend bei "Debüt im Deutschlandfunk Kultur" in der Berliner Philharmonie.

Kennen Sie den? Treffen sich zwei Posaunisten. Fragt der eine: „,Hast du schon gefrühstückt?“ Daraufhin der andere: „Nee, keinen Tropfen.“ Oder den? Was ist ein Gentleman? Jemand, der Posaune spielen kann, es aber nicht tut.

Unter Musikern haben die tiefen Blechbläser ihren ganz speziellen Ruf. Dem Publikum wiederum fallen sie eher selten auf. Schließlich müssen sie ganz hinten auf der Bühne sitzen und haben fast nie ein Solo. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, das Fundament des Orchesterklangs mit ihren Liegetönen zu stützen. Am Montag aber darf einer von ihnen endlich mal vorne stehen, der 23-jährige Brite Michael Buchanan, und zwar in der heiligen Halle der Philharmonie.

Im Rahmen der Konzertreihe „Debüt im Deutschlandfunk Kultur“ spielt er das 1956 entstandene Posaunenkonzert von Henri Tomasi. Ein Werk von eher fadenscheiniger Textur, bei dem der Solist aber zeigen kann, dass sein Instrument tatsächlich all das kann, was ihm keiner zutraut: zartes Piano intonieren beispielsweise, oder weit ausschwingende Melodien spielen – klanglich mit breiter Brust, aber sehr gefühlvoll. Michael Buchanan hat auch den richtigen Groove für jazzige Passagen – und ist selbst dann nicht aus der Ruhe zu bringen, wenn sich mitten im zweiten Satz sein Kummerbund von der Hüfte verabschiedet. Echt lässig auch, wie er sich bei der Zugabe, Bernsteins „Elegy for Mippy“, den Takt selber mit dem Lackschuh dazu klopft.

Dirigent Chuang streichelt die Musik förmlich herbei

Eher Romantiker als Draufgänger ist dagegen Aleksey Semenenko. Im hochvirtuosen 1. Violinkonzert von Henryk Wieniawski bewältigt er zwar alle technischen Tücken bravourös, doch sucht er nicht den Flirt mit dem Publikum, der eigentlich bei solcherlei Seht-her-was-ich- kann!-Stücken dazugehört. Ganz bei sich ist der 29-jährige Russe dafür in den lyrischen Passagen, wenn der Blick gewissermaßen nach innen geht, und er sich in schwelgerischem Geigengesang verströmen kann.

Nachdem Tung-Chien Chuang, 34, geboren in Taiwan, ausgebildet in Philadelphia und Weimar, den beiden Solisten ein aufmerksamer Begleiter gewesen ist, wartet auf ihn einer der großen Glücksmomente, die man als Dirigent erleben kann: der „Tagesbeginn“ aus Maurice Ravels „Daphnis et Chloé“-Suite nämlich. Wie unter den eigenen Händen die Natur erwacht, Bäume rauschen, Vögel zwitschern, der Wind sanft über Felder streicht, das ist in Ravels meisterlicher Instrumentation absolut betörend. Vor allem wenn der Taktgeber von einem so fantastischen Ensemble umgeben ist wie dem Deutschen Symphonie-Orchester. Wie auch schon bei der einleitenden „Freischütz“-Ouvertüre erweist sich Chuang als Maestro mit feinem Gespür fürs Atmosphärische, der mit seiner weit ausladender Gestik den Klang geradezu herbeizustreicheln scheint. Frederik Hanssen

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