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Meister der Mandoline. Avi Avital.

©  Jean-Baptiste Millot

Deutsches Symphonie-Orchester: Schön, dass ihr da seid

Ton Koopman dirigiert einen stilistisch vielseitigen Abend beim DSO, Avi Avital begeistert mit virtuosen Mandolinen-Konzerten.

Da denkt man, es erwartet einen ein charmanter Barock- und Frühklassik-Abend, und dann das: eine krass dissonante Tontraube, die entsteht, weil zwei Akkorde, die eigentlich aufeinander folgen müssten, zu einem zusammengezogen sind. Und so geht es noch einige Minuten weiter, bis in Jean-Féry Rebels Ouvertüre zur Ballettmusik „Les éléments“, die den einzig passenden Namen „Le chaos“ trägt, einigermaßen harmonisch sicherer Grund erreicht ist. 21. statt 18. Jahrhundert!

Man kann sich kaum vorstellen, wie das in 1738er Ohren geklungen haben muss. Es ist, als wolle Ton Koopman sagen: Barock war ganz anders. Der Alte-Musik-Spezialist spannt an diesem Abend in der Philharmonie ein weites Spektrum aus französischem und italienischem Stil auf. Seit 16 Jahren ist der Niederländer der verlässlichste Partner des Deutschen Symphonie-Orchesters, wenn es darum geht, in die Zeit vor Beethoven auszugreifen. Die Berliner spielen dabei nicht auf historischen Instrumenten. Koopman kennt da keinen Dogmatismus, auch das macht ihn so sympathisch. Neben der Tatsache, dass kein anderer Dirigent sich so ehrlich und fast kindlich freut, sein Publikum zu sehen.

Noch ein weiterer Gast sichert dem Abend hohes Niveau. Die Mandoline, den meisten Klassikhörern wohl höchstens durch Don Giovannis Serenade bekannt, darf jubeln, dass es Avi Avital gibt. Keiner hat mehr für das Zupfinstrument getan als der 38-jährige Israeli. Wenn er Mandolinenkonzerte von Hummel und Vivaldi interpretiert, hat das so gar nichts Verzopftes. Avitals Spiel ist griffig und viril, da ist Zug drin, und das wäre wohl auch dann nicht anders, wenn er nicht dezent elektronisch verstärkt würde.

Hingegen lässt Koopman die beiden Vivaldi-Konzerte für vier Violinen, die einmal er selbst und einmal Bach (BWV 1065) für vier Cembali bearbeitet haben, unverstärkt. Mutig! Ein gewöhnungsbedürftiger schütterer Sound, das Cembalo bleibt schwierig für die Philharmonie, auch wenn es in vierfacher Version auftritt. Was dem Gesamteindruck nicht hilft: dass die (stehenden) Streicher ausgerechnet hier die meisten koordinatorischen Schwierigkeiten haben. Weil Koopman nicht dirigiert, sondern selbst am Cembalo sitzt?

Glanz und Fülle kehren, wie zuvor in Rameaus Ballettsuite „Les Indes galantes“, mit Händels Concerto a due cori zurück. Wobei die beiden „Chöre“ hier als identische Bläsergruppen aus je zwei Hörern, zwei Oboen und einem Fagott zu verstehen sind. Das DSO beschließt seinen Barockausflug mit saftiger Spielfreude.

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