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Lang ausgesponnene Klagegesänge: Valentin Radutiu

© Felix Broede

Deutsches Syphonie-Orchester: Im Schtetl

"Debütieren", das können auch Werke. Das Deutsche Symphonie-Orchester spielt Prokofjew, Adès und Weinberge - und das Klavierkonzert "Dynamic Tryptich" von John Fould, dessen Unbekanntheit angesichts seiner Qualität fassungslos macht.

Nicht nur junge Interpreten können beim „Debüt im Deutschlandradio“ – Sprungbrett etwa für Daniel Barenboim, Simon Rattle oder Tugan Sokhiev – ihr Talent präsentieren. In der Philharmonie „debütieren“ auch Werke des 20. Jahrhunderts, deren Unbekanntheit angesichts ihrer Qualität fassungslos macht. Eine faszinierende Entdeckung ist der britische Komponist John Fould, dessen Tonsprache durch indische Elemente unverwechselbares Profil erhält. Sein Klavierkonzert „Dynamic Tryptich“ von 1929 verwendet „Modi“, wie sie später Olivier Messiaen entwickeln sollte. Teils exotisch anmutende Wendungen verbinden sich mit eminent klanglicher und rhythmischer Fantasie.

Ottavia Maria Maceratini zeigt sich den kräftezehrenden Akkordballungen und Unisono-Läufen des monumentalen Parts gewachsen, kann vor allem den magischen Klängen des langsamen „Dynamic Timbre“ Spannung verleihen und im Finale mit müheloser Beweglichkeit punkten. Mehr klangliche Differenzierung aber täte der etwas harten Tongebung der Italienerin doch gut. Gustavo Gimeno am Pult des Deutschen Symphonie-Orchesters ist ihr ein Impulse gebender Begleiter, hat mit ihr den Interpretationsansatz einer „sachlichen Emphase“ gemeinsam. Zuvor schon erregt der Spanier durch souveräne Organisation der Klangmassen in Thomas Adès’ Opernouvertüre „Der Sturm“ Aufmerksamkeit. Seine „Klassische Sinfonie“ von Sergej Prokofjew setzt mehr auf Deutlichkeit als genießerische Spritzigkeit, stellt Menuett und Gavotte plastisch in den Raum, fördert mit einer animierenden, doch hochpräzisen, niemals äußerlichen Gestik in den Ecksätzen strukturierende Linearität zutage.

Doch Herzstück des Abends ist das Cellokonzert von Mieczyslaw Weinberg, dem polnischen Juden, der in die Sowjetunion flüchtete und dort nicht weniger Repression erfahren musste als sein Lehrer und Freund Dmitri Schostakowitsch. 1948 häuften sich die „Formalismus“-Vorwürfe. Valentin Radutiu schickt lang ausgesponnene Klagegesänge in den Raum, in denen kein Leid vergessen ist. Die Vitalität des Schtetls, die rhythmisch messerscharfe Groteske erstehen mit schmerzhafter Deutlichkeit. Bewegter Beifall für das Werk eines Komponisten, der seit einigen Jahren die verdiente Position in der ersten Reihe erobert.

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