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Deutsches Theater: Nachts auf der Metaebene

Kurz vor Jahresende kommt das Deutsche Theater in Diskursfahrt: René Polleschs „JFK“ ist ein unterhaltsamer Angriff auf das Repräsentationstheater.

„Sag meiner Freundin, wenn sie mich sucht, ich bin auf der Metaebene“, bittet der Schauspieler Felix Knopp seine Kolleginnen. Recht hat er. Denn kurz vor Jahresende kommt das Deutsche Theater tatsächlich in Diskurs-Fahrt: Letzte Woche grüßte Nicolas Stemann von besagter Metaebene, als er Brechts „Heilige Johanna der Schlachthöfe“ auf ihre Gegenwartstauglichkeit abklopfte. Und jetzt setzt René Pollesch mit „JFK“ nach.

Wer bei diesem Stücktitel an den ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten denkt, sitzt freilich schon dem „allgemeinen Verblendungszusammenhang“ auf, den das Pollesch-Theater seit jeher so klug wie unterhaltsam attackiert. „JFK“ setzt sich aus den Vornamen der beteiligten Schauspieler/innen zusammen: Judith Hofmann, Felix Knopp, Katrin Wichmann. Und die werden zunächst zur Boulevardeske verdonnert.

Per Video sehen wir Knopp backstage auf seinen Auftritt warten. „Ich hab mein Stichwort gehört“, röhrt er zur monotonen Ohrwurm-Tonspur ins Mikro, als plane er eine Zweitkarriere als Westernhagen-Double. Als er die Bühne mit Doppelbett, Pappfenster und Trotzki-Konterfei an der Wand endlich betritt, singsangt er seinen persönlichen Subtext zusehends erschöpft über die Rampe: „Wo bleibt denn die Kollegin? Für dieses schlechte Timing hat die den Boy-Gobert-Preis bekommen! Aber den kennt in Berlin ja eh keiner. Und das soll hier das Hauptstadt-Theater sein?“ Knopps gleichermaßen tolle Kolleginnen bewegen wie beim Synchronsprechen die Lippen dazu.

Später erklettert der unterhaltsame Angriff auf das Repräsentationstheater und andere naive Branchen-Illusionen lässig die Metametaebene: „Und wenn ich an dich denke, denke ich nur an das Projekt der kommunistischen Partei, die Arbeit am kommunistischen Projekt aufzugeben und sich an den Aufbau des Kapitalismus zu machen, du Arsch, du!“ heißt der Abend im Untertitel.

„JFK“ ist nicht neu: DT-Intendant Ulrich Khuon brachte den Sechzigminüter vom Hamburger Thalia-Theater mit, wo das Stück im Sommer als intelligenter Rausschmeißer und Kommentar die „Lange Nacht der Autoren“ beendete. Man kann sich darüber streiten, ob er als Einzelbeitrag im Repertoire nicht überfordert ist. Aber als kleines Nachtprogramm platziert und verstanden, macht er allemal (Denk-)Spaß. Christine Wahl

wieder am 2. und 10. Januar, 21 Uhr

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