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Kultur: Deutschland, bleiche Familie

Im Kino: „Jeder schweigt von etwas anderem“

Als Anne Gollin aus Zwickau 1982 wegen „Verbreitung von Hetzliteratur“ zu einem Jahr und acht Monaten verurteilt wurde, kam ihr dreijähriger Sohn ins Heim. Die Töchter des Schriftstellers Utz Rachowski, der 1979 wegen „staatsfeindlicher Hetze“ für zwei Jahre eingesperrt wurde, durften immerhin bei der Mutter bleiben. Auch das Pfarrerehepaar Tine und Matthias Storck wurde 1979 wegen „landesverräterischer Agententätigkeit“ zu fast drei Jahren in Hoheneck verurteilt.

Anfang der achtziger Jahre wurden die DDR-Staatsfeinde wie viele andere auch von den westdeutschen Behörden freigekauft. Im wiedervereinigten Deutschland berichten sie jetzt Schulklassen, Touristengruppen und Bürokratendelegationen von ihren Erfahrungen. Den Staat, der die Ursache der Verfolgung war, gibt es schon lange nicht mehr. Doch in den Familien zu Hause regiert immer noch Schweigen den Umgang mit den Verstörungen der Vergangenheit: Sprachlosigkeit, geboren aus der Angst, alte Wunden wieder aufzureißen und die auch von der DDR-Staatssicherheit bewusst gehobenen Gräben zwischen den Generationen noch weiter zu vertiefen. In vielem allerdings unterscheiden sich diese Verständnisschwierigkeiten nicht von denen der meisten anderen Familien auch.

Das Gespräch zwischen Töchtern und Müttern, Vätern und Großeltern können auch die beiden jungen Filmemacher Marc Bauder (West) und Dörte Franke (Ost) nicht generieren. Ihr Film gibt erst einmal jeder Generation für sich die Möglichkeit, ihre Erfahrungen zu benennen und so auszutauschen. Dabei bleibt der Film bis auf einige atmosphärische Totalen so dicht an seinen Figuren, dass sich der politisch-geschichtliche Kontext nicht immer erschließt. Doch historische Erkenntnis ist wohl gar nicht das Ziel dieser Familienaufstellung aus dem deutschdeutschen Verhältnis. Es ist eine komplizierte Beziehung, in der noch vieles aufzuarbeiten ist. Den Film versteht man daher vielleicht am besten als filmtherapeutischen Beitrag in diesem langwierigen Klärungsprozess.

Im Central und in der Brotfabrik.

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