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Deutschland von oben: Adlers Auge

Schöne Heimat: In ihrer Kino-Dokumentation „Deutschland von oben“ zeigen Petra Höfer und Freddie Röckenhaus das Land aus Vogelperspektive. So wirkt es aufgeräumt und malerisch.

Deutschland aus der Vogelperspektive, das geht nur mit Spezialkamera unter dem Hubschrauberbug, mit Helmkamera am Fallschirmspringer oder einer Mini-Apparatur, die auf Adlers Rücken geschnallt wird. Der Zuschauer fliegt, schwerelos mit dem Segelflugzeug, halsbrecherisch im Schwarm der Windjumper, haarscharf an verschneiten Gebirgskanten samt nahrungssuchender Steinbockfamilie vorbei oder auf Augenhöhe mit Kranichen, Störchen, Gänsen. Alles ist Schönheit, Grafik, Design: Autobahnen, Menschenmengen und Flussläufe, die Furchen der Mähdrescher auf den Riesenfeldern im Osten, die Mondlandschaft des Lausitzer Braunkohleabbaus, die kunterbunten Bauklötze des Hamburger Containerhafens und die impressionistisch hingetupften Salzpfützen im Wattenmeer. Das Industrierevier an der Ruhr atmet romantisches Flair.

Von oben ist die Welt vor allem: in Ordnung. Selbst die Unordnung nimmt sich in Petra Höfers und Freddie Röckenhaus’ Terra-X-Produktion „Deutschland von oben“ malerisch aus. Mit GPS-generierten Zugvogelrouten und Fischzüge-Animationen wird sie eindrucksvoll illustriert oder fungiert als Kontrastmittel, wie bei den Weltkriegsaufnahmen vom Bombenhagel auf Hamburg. Natur und Kultur, Flora, Fauna und Zivilisation fügen sich ansonsten zu schönster Eintracht. Wer „Unsere Erde“ mochte, dem wird auch dieser Heimatfilm gefallen – und sich am besten die Ohren verstopfen.

Denn die aus 300 Materialstunden montierte 110-Minuten-Dokumentation – der eine sechsteilige ZDF-Serie vorausging – glaubt anscheinend nicht an ihre eigenen, großartigen Bilder (Kamera: Peter Thompson). Warum sonst ist der im Takt der Monate und Jahreszeiten rhythmisierte Film mit symphonischem Bombasto-Sound aufgemotzt, der mit den immergleichen zweieinhalb Melodiefetzen auskommen muss? Warum sonst sind die Off-Kommentare von Sprecher Benjamin Völz derart peinlich-pathetisch verfasst?

Ständig werden Rekordzahlen und Superlative angepriesen, das Größte, das Meiste, das Älteste – und der Kölner Dom als das einst „höchste Gebäude der Welt“. Wahlweise müssen martialische Vokabeln herhalten („Rund um den Watzmann verteidigt der Winter sein Reich“), und München wird zur Hauptstadt – nein, nicht der Bewegung, sondern des Sommers. So sprechen auch die nach Kräften digital geschönten Bilder schon bald die Sprache der Propaganda: Jede Luftaufnahme mutiert zur PR-Maßnahme in eigener Sache. Keine Zwischentöne, kein Grau, kein Schmutz, keine Überraschung: Deutschland von oben erstarrt in den Fängen der Werbeästhetik, dass einem Hören und Sehen vergeht. Schade um die Bilderpracht.

In 11 Berliner Kinos

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