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Kultur: Deutschlands Opernhäuser wagen in der kommenden Saison keine Experimente, sondern setzen lieber auf Kassenknüller

An Deutschlands Opernhäusern grassiert eine Krankheit: Premierenschwund heißt sie. Bis auf Berlins Lindenoper - mit sieben Neuproduktionen noch im gesunden Bereich - leiden bereits alle großen Musiktheater der Republik an diesem Übel; besonders betroffen sind Leipzig, Dresden und Stuttgart, deren Premierenfrequenz in der anbrechenden Spielzeit den lebensbedrohlichen Wert von vier aufweist.

An Deutschlands Opernhäusern grassiert eine Krankheit: Premierenschwund heißt sie. Bis auf Berlins Lindenoper - mit sieben Neuproduktionen noch im gesunden Bereich - leiden bereits alle großen Musiktheater der Republik an diesem Übel; besonders betroffen sind Leipzig, Dresden und Stuttgart, deren Premierenfrequenz in der anbrechenden Spielzeit den lebensbedrohlichen Wert von vier aufweist. Etwas besser geht es Hamburg und Köln (fünf), relativ vital scheint auch noch die Bayerische Staatsoper in München (sechs). Neidvoll blicken Deutschlands Intendanten nach Zürich, dessen Opernhaus sich auch 1999/2000 wieder 13 Neuinszenierungen leistet. Die Reduzierung der "Premieren-Lebenszeichen" stellt die Opernhäuser zugleich vor die Alternative, entweder ihre ältesten Repertoireproduktionen zu ersetzen oder mit Opernausgrabungen und Uraufführungen Experimente zu wagen. Wen wundert es, dass aufgrund des steigenden Kostendrucks die Entscheidung fast überall gegen das Einnahme-Risiko Uraufführung/Ausgrabung und zugunsten der Klassiker von Mozart bis Verdi gefallen ist.

Beispiel Dresden: An der Semperoper folgen auf Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" als einzigem moderaten Spielplanwagnis (Dirigat Semyon Bychkov, Inszenierung Laufenberg) Kálmáns "Czárdázsfürstin" (Soltesz/Konwitschny) und Mozarts "Entführung" (Fiore/Marelli) als sichere Kassenfüller, den Schlusspunkt setzt im April 2000 Verdis "Falstaff" (Prick/Engelmann). Noch vorsichtiger geht Stuttgart vor. Neben der Komplettierung des "Rings" unter der Regie von Jossi Wieler ("Siegfried") und Peter Konwitschny ("Götterdämmerung") ist nur noch Raum für eine neue "Fledermaus" und Offenbachs kaum weniger populären "Hoffmann".

Von den sechs genannten Häusern außerhalb Berlins bietet nur eines überhaupt eine vollwertige Uraufführung an: An der Leipziger Oper wird im Mai 2000 Luca Lombardis "Dimitri" auf einen Text von Hans-Klaus Jungheinrich über die Bühne gehen. Mit Schumanns selten gespielter "Genoveva" (Ferro/Freyer), Verdis "Macbeth" (Jurowski/Homoki) und Glucks "Orpheus", der ersten Opernregie von Andrea Breth, bietet Leipzig den ambitioniertesten unter den premierenreduzierten Spielplänen. Weit mehr zumindest als Deutschlands größtes Opernhaus, die Bayerische Staatsoper, die in der kommenden Saison nur auf vorhersehbare Publikumsrenner setzt: Mit Händels "Ariodante" und "Rinaldo" wird die legendäre Händel-Serie fortgesetzt, Belcanto-Freaks werden mit Edita Gruberova in einer Neuproduktion von Bellinis "Puritanern" zufriedengestellt, "Fidelio" (Metha/Mussbach), Gounods "Faust" (Young/Pountney) und Verdis "Don Carlos" (Metha/Rose) frischen das Repertoire auf.

Bleibt die Hamburgische Staatsoper, an der Deutschlands im Moment gefeiertster Opernregisseur, Peter Konwitschny, gleich zweimal vertreten ist: Dem "Freischütz" und Bartoks "Herzog Blaubarts Burg", beides dirigiert von GMD Ingo Metzmacher. Die Moderne bleibt auch hier auf der Strecke, obwohl Metzmacher als engagierter Anwalt zeitgenössischer Musik gilt und die letzten Uraufführungen der Hamburger Oper volle Häuser brachten.

Jörg Königsdorf

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