zum Hauptinhalt
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel trifft im Auswärtigen Amt Vertreter von Religionsgemeinschaften aus Nord- und Westafrika, dem Nahen und Mittleren Osten und Europa zur Internationale Konferenz "Friedensverantwortung der Religionen".

© dpa

Dialog der Religionen im Auswärtigen Amt: Der Weisheit eine Chance geben

Religion als Teil der Lösung, nicht des Konflikts: Im Auswärtigen Amt kommen Juden, Christen und Muslime zusammen, um über die Friedensverantwortung der Religion nachzudenken.

Religion hat hierzulande ein Imageproblem, daran ändern auch die kreativen Kopfbedeckungen ihrer Würdenträger nichts. Macht sie Schlagzeilen, dann oft in Verbindung mit Konflikten oder Terror. Außenminister Sigmar Gabriel hat jetzt den Spieß mal umgedreht. Am Montag begrüßte er im Weltsaal des Auswärtigen Amtes über 100 Repräsentanten der abrahamitischen Religionen. Für zwei Tage sind Juden, Christen und Muslime nach Berlin gekommen aus 53 Ländern, um gemeinsam über die Friedensverantwortung der Religionen nachzudenken. Die Anfälligkeit von Religionen für Missbrauch zog sich wie ein roter Faden durch die Auftaktveranstaltung. Zu oft muss Religion herhalten zur Durchsetzung von Machtinteressen oder bei der Lösung territorialer Konflikte. Dass alle Religionen Frieden zum Ziel haben, wird dabei leicht mal vergessen.

Das Außenministerium will mit dieser neuen Initiative erreichen, dass die Diplomaten eigene Denkmuster überprüfen und mehr lernen in diesem Bereich. „Viele außenpolitische Ziele stimmen mit denen religiöser Akteure überein“, sagte Gabriel: „Vertrauen aufbauen, Kompromisse finden, Schwächere schützen, Stabilität begründen.“ Er erinnerte auch an den 30-jährigen Krieg. Und an seine eigene Kindheit, als evangelische und katholische Schüler noch getrennt lernten und nicht mit den jeweils anderen spielen sollten. Zwar nimmt die Zahl der gläubigen Menschen in Deutschland ab, weltweit gibt es aber einen Gegentrend. Rund 80 Prozent der Weltbevölkerung bekennen sich zu einer Religion.

Konstruktive, interreligiöse Zusammenarbeit als Ziel

Oberrabiner David Rosen aus Jerusalem ging den Ursachen von Religionsmissbrauch auf den Grund, den Identitätskrisen von sich ausgegrenzt fühlenden Minderheiten, die zu Dämonisierung, Herabsetzung und Selbstgerechtigkeit führen. Damit es gar nicht erst so weit komme, müsse man deutlich machen, dass alle Gruppierungen willkommen und geschätzt sind in einer Gesellschaft. Er lobte die Initiative dafür, dass sie die dringend benötigte Aufmerksamkeit für konstruktive, interreligiöse Zusammenarbeit schaffe: „Wenn Religion nicht Teil des Konflikts, sondern Teil der Lösung ist, muss das auch gesehen werden.“ Agnes Abuom, Vorsitzendes des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi, plädierte dafür, dass Frauen als Triebkräfte des Friedens aktiver werden sollten. Der Großmufti in Bosnien und Herzegowina, Husein Kavazovic, betonte: „Es darf keinen Zwang im Glauben geben.“ Sein Rezept: „Wenn Menschen sich kennenlernen, trägt das zum Frieden bei.“

Beim anschließenden Mittagessen tauschte man sich darüber aus, dass so eine Konferenz nur funktioniert, wenn sie wiederholt wird und nachhaltige Netzwerke schafft. Das ist aber ohnehin geplant. Später will man auch die asiatischen Religionen mit einbeziehen. Bei der Auswahl der Konferenzgäste hatten die Botschaften geholfen. Ein Lebensalter, das Weisheit verspricht, gehörte mit zu den Kriterien. In den nicht-öffentlichen Arbeitsgruppen ging es unter anderem um Mediation in politischen Konflikten und um die Erziehung zum Frieden an Schulen und Hochschulen. „Eigentlich bräuchte man mehr Zeit, um das wirklich abzuhandeln“, sagte der Erzbischof von Damaskus, Timotheos Matta Alkhouri. Er fände es schön, wenn den Gesprächen Taten folgten. Im Kleinen ist das möglich. Der lutheranische Bischof Thomas Diouf aus Senegal erzählte, wie dort Muslime und Christen ganz selbstverständlich an ihren jeweiligen Festtagen mit den andersgläubigen Menschen das Essen teilen. Zwischen Maishähnchen halal und koscherem Thunfischsalat konnte jeder das für sich Passende am Buffet finden. So viele freundlich strahlende Gesichter wie bei dieser Konferenz sieht man selten auf engem Raum. Und ein Beweis ist schon erbracht. Wo Menschen guten Willens aufeinandertreffen, hat Religionszugehörigkeit nichts Trennendes mehr.

Zur Startseite