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Kultur: Die Atlantikschwimmerin

Von Kalifornien zurück nach Europa: Pamela Rosenberg soll Intendantin der Berliner Philharmoniker werden

Ein Coup mitten im Berliner Sommerloch. Wo immer in der europäischen Musiktheaterlandschaft zuletzt ein Chef respektive Chefinnensessel neu zu besetzen war, wurde ihr Name als einer der ersten genannt, gehandelt, gewünscht. Bei den Salzburger Festspielen, als Peter Ruzicka nicht verlängerte; in München in der Affäre um die Nachfolge des geschassten Staatsopernintendanten Christoph Albrecht; und davor gleich dreimal in Berlin: als Gerüchte aufkamen, Peter Mussbach würde die Lindenoper gen München verlassen, bei der länglichen Suche nach einem Direktor für die Opernstiftung und auch im Blick auf die nach Udo Zimmermann verwaiste Intendanz der Deutschen Oper.

Erst jetzt aber ist es – wie die „Berliner Morgenpost“ meldete, und Kultursenator Thomas Flierl dem Tagesspiegel bestätigte – endlich etwas geworden mit Pamela Rosenberg und Berlin. Ab 2006 soll die 60-jährige Musikmanagerin Intendantin der Berliner Philharmoniker werden.

Die Nachricht erfreut und überrascht zugleich, ja sie überrumpelt geradezu. Dass Rosenberg ihre Fühler vergleichsweise offensiv wieder nach Europa ausstreckte, nachdem sie vor einem Jahr verkündet hatte, ihren Vertrag als General Director der San Francisco Opera über 2006 hinaus nicht zu verlängern, war bekannt. Ihre Begründung dafür jedenfalls hörte sich mindestens so sympathisch wie professionell an: Sie habe die lebenspraktische Entfernung zwischen Europa und Kalifornien unterschätzt und wolle ihren Kindern und Enkelkindern in Berlin und Frankfurt wieder näher sein. So einfach ist das.

Außerdem zeigte sich Rosenberg enttäuscht darüber, wie massiv die durch den Niedergang der New Economy bedingte Finanzkrise auf die amerikanischen Kultureinrichtungen durchgeschlagen hätte. Sie habe, so betonte sie im August 2004, genug davon, „zu 70 Prozent Managerin sein zu müssen und zu 30 Prozent Künstlerin sein zu dürfen“. Im Übrigen hatten sich die Kalifornier mit Rosenbergs progressiven Plänen und ihrer entschieden europäisch, ja deutsch geprägten Auffassung von Musiktheater von Anfang an nicht recht anfreunden wollen. Messiaen, Virgil Thomson und Ferruccio Busoni neben Berlioz und Janácek im Spielplan – das genügte, um dem drittgrößten Opernhaus der Vereinigten Staaten 2002 und 2003 die beiden größten Defizite seiner Geschichte zu bescheren. Seine Direktorin jedenfalls sah sich zu strukturellen wie zu äußerst unliebsamen künstlerischen Maßnahmen und Zugeständnissen gezwungen.

Mag sein, dass Pamela Rosenberg gerade in Fragen der Ökonomie und des Managements, des Marketings und der Sponsorenpflege durch eine harte amerikanische Schule gegangen ist, deren Früchte sie bei den Philharmonikern wird ernten können. Ihr Amt tritt sie im Januar 2006 an, zunächst mit einem Vorvertrag, ab Juli dann fest. Exakt drei Jahre lang wird der Intendanten-Posten dann verwaist gewesen sein, zum 1. Januar 2003 hatte Rosenbergs Vorgänger Franz Xaver Ohnesorg um die Auflösung seines Vertrages gebeten. Drei Jahre, in denen Ohnesorg, der angeblich weiter als Berater fungierte, sehr umfänglich ausbezahlt werden musste, drei Jahre, in denen sich die Probleme der frisch gegründeten Stiftung Berliner Philharmoniker offenbar weitgehend intern regeln ließen.

Daran dürfte sich in naher Zukunft einiges ändern. Einerseits lechzt das Haus, die Philharmonie, jenseits des Konzertbetriebs nach jener Art von Öffentlichkeit und Öffnung, die sowohl Ohnesorg als auch dessen Vorgänger Elmar Weingarten stets forderten. Andererseits braucht das Orchester dringend eine starke, inhaltlich-konzeptionell denkende Hand. Der Höhenflug um und mit Simon Rattle ist das eine, der üppige Gemüsegarten der Gastdirigenten das andere.

Abgesehen davon, dass Pamela Rosenberg weit mehr als leidenschaftliche Opernfachfrau gilt denn als gewiefte Orchestermanagerin, stellt sich eine erste Frage. Ist sie für das engagiert worden, was sie vor allem will, nämlich künstlerisch arbeiten? Oder für das, was sie in Amerika – notgedrungen – erlernt hat, nämlich wirtschaften? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit darin, dass das eine vom anderen längst nicht mehr zu trennen ist. Den Großteil ihrer beruflichen Erfahrungen hat die gebürtige Kalifornierin jedenfalls in Deutschland gesammelt: an der Oper Frankfurt am Main in der legendären Gielen-Ära und als Co-Intendantin von Klaus Zehelein in Stuttgart. An beiden Orten stellte sie ihren Mut unter Beweis, eingefahrene Wege zu verlassen. Ästhetik und Programmtik scheinen also zu stimmen. Und die Sehnsucht sowieso.

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