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Kultur: Die Baukunst Europas in der Gegenwart - das Thema Griechenland im Frankfurter Architekturmuseum

Griechenlands Ruf als Architektur-Mekka lebt von der Vergangenheit. Doch der kanonische Tempelbau ist längst passé.

Griechenlands Ruf als Architektur-Mekka lebt von der Vergangenheit. Doch der kanonische Tempelbau ist längst passé. Heute bewegen sich die Griechen zwischen sanfter Modernisierung und der Bewahrung der eigenen Identität. Erst seit etwa zehn Jahren beschäftigen sich griechische Architekturhistoriker mit der eigenen Baukunst des 20. Jahrhunderts; zuvor hatte es am nötigem Selbstvertrauen gefehlt, wie von griechischen Wissenschaftlern selbst zu hören ist. Nun gibt das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main erstmals einen Überblick über die Baukunst des Landes anhand von etwa 130 Bauten, die mit Zeichnungen, Fotografien und Modellen vorgestellt werden. Erarbeitet und größtenteils finanziert wurde die Schau von griechischer Seite. In Frankfurt fehlt es sogar an Geld für die deutsche Übersetzung des Kataloges - 50 000 Mark -, der nun nur in Griechisch oder Englisch vorliegt. Diesjähriges "Schwerpunktland" der Frankfurter Buchmesse ist nun einmal Ungarn und nicht Griechenland. Dabei gehört die Ausstellung zur 1995 begonnenen Reihe über die Baukunst Europas in der Gegenwart, die bereits Österreich, Irland, Portugal, Schweden und die Schweiz präsentierte.

Moderne griechische Architektur entsteht vorwiegend in Athen, allenfalls in Thessaloniki, denn Griechenland ist geprägt vom Zentralismus. Bis heute wirft die Vergangenheit ihre Schatten. Der Neoklassizismus galt lange als nationaler Stil für alle wichtigen Gebäude, für Kirchen war der byzantinische Stil verpflichtend. Der Neoklassizismus verschmolz unauffällig mit der alten einheimischen Baukunst. Es war übrigens der seit 1861 in Griechenland lebende Deutsche Ernst Ziller, der den Neoklassizismus einführte.

Erst in den zwanziger Jahren besann man sich auf die eigenen Wurzeln, wie die Bauten von Aristotelis Zachos zeigen. Dieser Traditionalismus mit der Betonung des Einfachen und der geometrischen Ordnung ebnete den Weg für einen gemäßigten Modernismus, der aber erst ab den fünfziger Jahren zum Zuge kam. Heute versucht man Schritt zu halten mit den wichtigsten Strömungen der Weltarchitektur, ohne allerdings selbst tonangebend zu sein. Präsentiert werden vor allem Wohnhäuser, daneben Schulen, Verwaltungsbauten und Museen. Dabei bemühen sich die griechischen Architekten um das Zusammenspiel von Landschaft und Sonne, bauen sie leuchtende Kuben mit weißem Putz oder blankem Beton.

Als eine der wichtigsten Bauten zählt das Museum der Byzantinischen Kultur in Thessaloniki (1978-93). Es lässt sich auf den Dialog mit der eigenen Historie ein, ohne sich historisierender Elemente zu bedienen. Völlig lokal bestimmt ist dagegen die Konstruktion eines 1997 fertiggestellten Ferienhauses auf der Insel Santorin. Der Baukörper macht einen festungsartigen Eindruck, unterstützt durch Schächte an Fenstern und Türen, die die starken Nordwinde absorbieren und deren Richtung sowie Stärke ändern. Ein gutes Beispiel für eine Eigenart, die sich dem Klima verdankt.

Die moderne Architektur brachte zwar auch nach Griechenland alle Freiheiten. Doch das führte kaum zu nationaler oder regionaler Unverwechselbarkeit. Ein einheitliches Idiom ist nicht auszumachen; vielmehr bildeten sich Fraktionen über alle Grenzen hinweg. Dass der Regionalismus längst international geworden ist, zeigt diese Schau deutlich, wenn auch wohl ungewollt. Die weißen asketischen Kuben, die schlanken Bauglieder und die transparenten Flächen könnten auch in Deutschland, Japan oder Amerika stehen. Nationale oder regionale Eigenarten lassen sich heute allenfalls noch am Klima, an der Geografie, an sozialen Verhältnissen oder an kulturellen Mustern festmachen.Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, bis 17. Oktober; Katalog (Prestel Verlag) 78 Mark, im Buchhandel 148 Mark.

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