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Virtuos. Der italienische Pianist Maurizio Pollini.

© picture alliance / dpa

Die Berliner Philharmoniker mit Maurizio Pollini: Irrlichternd

Der italienische Pianst Maurizio Pollini musiziert mit den Philharmonikern. Am Pult steht Christian Thielemann.

Mit Chopin wurde er berühmt. Seine allererste Aufnahme von 1960, da war er 18, ist in digitaler Aufbereitung in bester Qualität zugänglich – mit Chopins e-Moll-Klavierkonzert. Da ist es ein fast musikhistorischer Augenblick, wenn der 73-jährige Maurizio Pollini das Konzert mit den Berliner Philharmonikern noch einmal spielt, auf seinem persönlichen, vom italienischen Klaviermeister Fabbrini spezialintonierten Steinway–Flügel. Und das Publikum feiert den Weltklassepianisten mit Ovationen.

Wer die alte Aufnahme hört, dem stockt der Atem. Die glasperlenklaren Läufe, der natürliche Melodiefluss, die blitzgescheite, von tiefer Empfindung animierte Agogik, all das zeugt von einer Herzensreife, die man einem 18-Jährigen kaum zutraut. In der Philharmonie sind davon nur Rudimente zu hören, es tut fast weh. Pollini hält sich nicht mit falschem Pathos auf, geht ungeduldig, beinahe unwirsch zu Werke. Aber im Eingangssatz verstolpert er die virtuosen und im Rondo die apart-ironischen Partien, seine legendären Rubati bekommen etwas Willkürliches. Christian Thielemann am Pult meistert das selbstverständlich, das Orchester schmiegt sich dem stop and go des Pianisten elegant an. So gelingt wenigstens die Romanze als Reminiszenz an Pollinis Genie, als Gesang eines Tagträumers auf sämig-weichem Streichergrund.

Thielemann war bereits am Wochenende mit einem französischen Programm in der Philharmonie zu Gast, schon da trübte keinerlei Verstimmung den Abend, den ersten, nachdem sich das Orchester im Sommer nicht für Thielemann, sondern für Kirill Petrenko als Rattle-Nachfolger entschieden hat. Gute Laune auch am Donnerstag: Nach der Pause greift Thielemann zum Mikro, scherzt freundlich über die Gepflogenheit des Publikums, das Programmheft erst hinterher zu studieren und Zeitgenössisches wegen seiner Komplexität gerne eine zweites Mal hören zu wollen. Was aber zeitlich nicht drin ist. Also lieber ein Blitz-Workshop: Die Bläser tragen das Thema von Schumanns „Geistervariationen“ vor, von denen sich Aribert Reimann zu seinen „Sieben Fragmenten für Orchester in memoriam Robert Schumann“ inspirieren ließ. In der Tat, man spitzt die Ohren gleich ganz anders bei Reimanns irrlichternder Fantasie. Warum nicht öfter solche kurzen Weckrufe für eher ungeliebte Neutöner!

Einmal mehr erweist sich Thielemann als Klangfarbenmeister, auch wenn der Abend leicht unkonzentriert begonnen hat, mit Schumanns „Genoveva“-Ouvertüre. Er endet mit einem Heidenspaß, den Zwischenspielen aus Strauss’ Opernfarce „Intermezzo“. Schwungvolle Bourgeoisie-Komödie, Reisehektik, Screwball-Turbulenzen und Skatspielertricks inklusive. Beim Walzer schwingt Thielemann selber das Tanzbein.

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