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Kultur: Die beste Aktie

25 Jahre Sammlung Deutsche Bank: Kunstdirektorin Ariane Grigoteit über den alternativen Wert von Bildern

Frau Grigoteit, ein Vierteljahrhundert Kunstsammlung Deutsche Bank: Wie hat sich das Profil seit den Anfängen gewandelt?

Auf der einen Seite ist sie in ihrer Ausrichtung konstant, weil sie bis heute das Konzept verfolgt, Kunst an Arbeitsplätzen zu zeigen. Auf der anderen Seite ist die Sammlung immer internationaler geworden und nicht mehr so stark wie in den Anfangsjahren auf Papierarbeiten konzentriert, sondern beinhaltet auch Videoarbeiten, Fotografien, Skulpturen oder Gemälde.

Ihre Kollektion gilt als die größte Unternehmenssammlung der Welt. Lässt sich ihr Wert beziffern?

Ja, anhand des Versicherungswertes, der jedes Jahr neu geschätzt wird und im mehrstelligen Millionenbereich liegt. Aber auch ohne solch gigantische Summen bringt die Anzahl von 50000 Werken enorme Verantwortung mit sich, gerade weil wir nicht überall Museumsbedingungen haben. Die Bank beschäftigt allein drei Restauratoren.

Nach welchen Kriterien wird gekauft?

Die Ankaufskommission trifft sich einmal jährlich. Mit meinem Kollegen Friedhelm Hütte, den Galeristinnen Bärbel Grässlin und Sadie Coles sowie verschiedenen Mitarbeitern der Bank trage ich Vorschläge zusammen. Dann diskutieren wir, warum eine Neuerwerbung Sinn machen würde. Dabei spielt die künstlerische Ausführung eine Rolle, aber auch gesellschaftliche Relevanz. Es ist wichtig, zu sehen, was eine Zeit ausmacht.

Welche Zeitphänomene erspüren Sie in der Kunst?

Um den Jahrtausendwechsel herum gab es fast ein Stillschweigen. Alles wurde äußerlich schön dargestellt: Blütenblätter oder Pflanzendarstellungen, die wirkten, als hätte man den Zugang zur Natur verloren. Heute reflektieren viele Künstler Globalisierungsprozesse. Solche Fragestellungen sind auch für eine Bank relevant: Was entsteht durch die gemeinsame europäische Währung, was verschwindet? Und wie definiert sich der Mensch in diesem neuen Gefüge?

Was waren die letzten Ankäufe?

Filigrane Zeichnungen von Julie Mehretu, in denen sie mit Tusche und Farbstiften verschiedene Schichten übereinander legt. Es sind eindruckvolle Bilder des urbanen Menschen. Die Künstlerin kommt aus Äthiopien, ein Land, das man verlassen muss, wenn man als Künstler überleben will. Sie ging nach New York. Ihre Außenposition spiegelt sich in den Bildern wider. Ein anderer Künstler, von dem wir Werke erworben haben, ist der junge Japaner Tam Ochiai. Er hat sich fast gänzlich in eine Parallelwelt aus Mode und Träumen verwoben. So wie die Menschen heute auf der Straße: Sie hören Musik, telefonieren und haben einen Becher Kaffee in der Hand – und nehmen nicht mehr die Welt um sich herum wahr.

In der Ankaufskommission sitzen Galeristen. Ist es nicht riskant, sich Rat von Händlern zu holen?

Nein, es war für uns von Anfang an ein wichtiger Aspekt, die Galeristen zu fördern und zu honorieren, was sie für die Künstler tun. Galerien, die sich vor allem um junge Künstler kümmern, können keinen großen Profit machen, außer sie vertreten einen Superstar. Die Kosten sind meist nicht einmal gedeckt, wenn die ganze Ausstellung ausverkauft ist, da die Arbeiten noch nicht viel kosten.

Die Neunziger waren bei der Deutschen Bank von einer enormen Ankaufswelle geprägt. Heute sind die Zeiten anders. Der Etat, dessen Volumen nicht öffentlich ist, wird jedes Jahr neu bestimmt. Steigt er oder sinkt er?

Das ist unterschiedlich: Es gab Jahre, in denen mehr Geld vorhanden war, andere mit einem Ankaufsstopp und wieder andere, in denen Projekte bewilligt wurden, weil ein neues Gebäude fertig gestellt worden war. Aber man kann sagen, dass sich der Ankaufsetat heute auf dem Stand von vor 25 Jahren befindet.

Mittlerweile geben Sie die Publikation Visuell heraus und finanzieren das Internetmagazin db-art-mag. Hat die Vermittlung von Kunst die Ankäufe ersetzt?

Vermittlung hat immer eine große Rolle gespielt, richtete sich allerdings anfangs vor allem an die Mitarbeiter der Bank. 1988 gab es dann die erste Ausstellung in der Galerie Thomas in München, bei der deutlich wurde, dass die Sammlung ohne Vermittlung nicht wirken kann.

Was bewirkt sie denn?

Es gibt ein aktuelles Beispiel: Wir suchten für die Titelseite des Jubiläumskataloges ein Motiv, und fanden die Fotografie „Birthdayparty“ von Yutaka Sone. In Japan werden Geburtstage nicht gefeiert, aber als der Künstler 1997 zum Skulpturenprojekt nach Münster eingeladen war, war er so angetan von unserer Tradition, dass er dort jeden Tag zum Geburtstagsfest eingeladen hat und dies künstlerisch dokumentierte. In einer anderen Abteilung ist das Bild von den feiernden jungen Menschen gar nicht gut angekommen und wurde als „Kiffermotiv“ abgetan. Als die Kollegen dann vom Hintergrund des Motivs hörten, waren sie positiv überrascht und fasziniert.

Klappt das immer so einfach?

Kunst ist bei uns ein Angebot, keine Dekoration, sondern auch ein Stolperstein. Aber solche Erlebnisse verdeutlichen, wie wichtig Vermittlung ist. In der Artothek, wo Mitarbeiter Kunst für ihre Büros ausleihen können, kommen auch ganz andere Themen zur Sprache. Die Kunst verändert unsere Unternehmenskultur – weil sie immer wieder eine Schwelle ist, die es zu überschreiten gilt.

Erleben Sie nicht eher Anfeindungen, da in der Deutschen Bank Arbeitsplätze trotz Gewinn gestrichen werden?

Täglich. Ich fühle mich manchmal wie ein Blitzableiter. Nicht zuletzt, wenn die Frage gestellt wird, warum wir für Kunst Geld ausgeben, während anderswo Mitarbeiter entlassen werden. Das kann schnell unter die Gürtellinie gehen, gerade weil jeder meint, etwas zur Kunst sagen zu können. Weltweit arbeiten acht Personen für das Kunstprogramm. Deren Einsparung würde eine Verarmung bedeuten. Denn Kunst stellt einen alternativen Wert dar, der weit über das hinausgeht, was eine Bank als Reichtum bilanziert. Sie kann ein Grund sein, sich zu engagieren, und der Arbeit einen Sinn geben.

Es geht also nicht nur um Imagegewinn?

Nein, dann würden wir viel dekorativere Kunst sammeln, etablierte Ölbilder etwa oder große, glatte Fotoarbeiten. Aber wir suchen die Auseinandersetzung mit dem Unbequemen, mit Werken, die danach fragen, was ein sinnvolles Leben ausmacht. Deswegen bin ich von einer jungen Künstlerin wie Miwa Yanagi so begeistert, die untersucht, was erfülltes Alter bedeutet.

Ärgert es Sie bei diesem Sammlungsprofil, wenn die Bank in ihrem Sponsoringbereich einen Blockbuster wie die MoMA-Ausstellung in Berlin als Hauptsponsor mitfinanziert?

Ich sehe da eine Gefahr, denn es gibt momentan sehr viele Sponsoringprojekte. Dabei zeichnet sich die Abteilung Kunst der Deutschen Bank dadurch aus, dass sie eigene Projekte auf die Beine stellt. Auf der anderen Seite macht mir der Besucheransturm auf die MoMA-Ausstellung klar, wie hoch das Bedürfnis nach Werten und Erlebnissen ist, die man teilen kann. Aber es wäre schade, wenn ein solches Engagement in der Bank zukünftig die Hauptrolle spielen würde.

In Berlin wird seit Jahren kritisiert, dass in den Museen zu wenig passiert und die Häuser wegen knapper Kassen auf die Gunst privater Sammler angewiesen sind. Die Deutsche Bank finanziert seit 1997 Unter den Linden eine Galerie mit vier Ausstellungen im Jahr. Wäre es nicht sinnvoller, etwa den Hamburger Bahnhof oder die Berlinische Galerie zu unterstützen als ihnen Konkurrenz zu machen?

Wir haben das lange überlegt, aber in Berlin fehlt es an allen Ecken an Förderung. Wir hätten aus der Vielzahl bedürftiger Institute nur aussuchen müssen, haben dann aber entschieden, auf anderer Ebene zu fördern und mit Instituten und Museen zusammenzuarbeiten.

Die Bank unterstützt die Londoner Kunstmesse Frieze, nicht das Berliner Art Forum, die Art Cologne oder die Art Frankfurt. Warum haben Sie sich nicht für eine deutsche Kunstmesse entschieden?

Die anderen Messen werden selbstverständlich auch gefördert, aber unsere Unterstützung sieht immer anders aus. Bei Frieze hat uns die unglaubliche Mischung der Besucher überzeugt. Außerdem ist London für die Bank ein Haupthandelsplatz.

Für die Jubiläumsausstellung in der Deutschen Guggenheim haben 25 „Paten“ Lieblingsstücke auswählen dürfen, Galeristen, Sammler oder Vorstandsmitglied Tessen van Heydebreck. Warum haben Sie nicht alleine entschieden?

Ich wollte die Entwicklung und die besonderen Konditionen der Bankensammlung sichtbar machen. Der erste Schritt war es, Zaha Hadid mit der Ausstellungsarchitektur zu beauftragen, weil sie mit ihrer Wucht und positiven Kompromisslosigkeit die Bedingungen in der Bank darstellen konnte. Der nächste war die Einbeziehung von Menschen, die uns begleitet haben. Sie durften bis zu zehn Stücke auswählen.

Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?

Die Kunst ist die beste Aktie der Bank: mit einer steten positiven Entwicklung. Wenn man einen Erfolg nach finanziellen Kriterien beurteilt, dann haben wir großartige Arbeit geleistet. Es gibt uns Anerkennung innerhalb der Bank, dass relativ wenig investiert, aber ein vielfacher Wertgewinn erzielt wurde.

Aktien sind auch eine Spielmasse, von der man sich leichten Herzens trennt. Wie sehen Sie die Zukunft der Sammlung – sagen wir in noch einmal 25 Jahren?

Die Veränderungen in Banken vollziehen sich immer schneller. Eine Sammlung gibt es nur so lange, wie sich jemand an der Spitze der Bank dafür einsetzt. Es gibt auch hier keine Lebensversicherung. Diese Beweglichkeit, Aktualität und vielleicht auch ihre Vergänglichkeit – dass sie eben kein Museum ist – zeichnet die Sammlung auf der anderen Seite aus.

Das Gespräch führte Katrin Wittneven.

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