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Kultur: Die Beute der Bilder

Museum Bröhan würdigt den 150.Geburtstag Karl HagemeistersVON KATRIN BETTINA MÜLLER"Wenn man alles pastos malt, so giebt es keine Bewegung", erkannte der Maler Karl Hagemeister, als er dem "atmenden Leben" auf der Spur war.

Museum Bröhan würdigt den 150.Geburtstag Karl HagemeistersVON KATRIN BETTINA MÜLLER"Wenn man alles pastos malt, so giebt es keine Bewegung", erkannte der Maler Karl Hagemeister, als er dem "atmenden Leben" auf der Spur war.Erst die Abstufung vom "Pastosen bis zu äußerster Zartheit und von der klaren deutlichen Ferne bis zur Verschwommenheit" entspricht dem Schein der Natur.Wie er das meinte, offenbaren seine Teichbilder: Auf der seidenglatten Fläche des Wassers bilden Seerosen und Entengrütze dicke, pastose Krusten.Fast modelliert wirkt das Schilf, dessen Halme das Licht brechen und bündeln.So nah bringt Hagemeister in seinen "naturgroßen" Formaten den Betrachter an den Teich, als ob man selbst mit den Stiefeln im Wasser stünde.Hagemeisters "Waldteich" von 1908 hängt in der Regel im Schloß Bellevue als Leihgabe der Nationalgalerie.Zwei weitere Naturbilder haben den Weg in die Berliner Wohnung der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth gefunden.Ein spätes Wellenbild aus Rügen war lange in der Alten Nationalgalerie ausgestellt.Vergessen war der märkische Maler aus Werder an der Havel also nicht.Aber über Erwähnungen als Mitglied der Berliner Secession hinaus fand sein Werk in der Kunstgeschichte kaum Beachtung.Die Retrospektive nun, die das Bröhan-Museum anläßlich Hagemeisters 150.Geburtstag präsentiert, stellt nicht nur erstmals über 100 Ölbilder und Pastelle des Malers vor, sondern versucht ihn für die Moderne zu retten.Die Jagdbilder von Courbet, die Impressionisten, die er 1883 kennengelernt hatte, und vor allem die Begeisterung für Manet brachten Hagemeister auf einen eigenen Weg, Wahrnehmung unmittelbar in Farben zu übersetzen.Paris war die letzte Station seiner ausgedehnten Bildungsreisen, die er zusammen mit dem Malerfreund Carl Schuch unternommen hatte.1884 kehrte Hagemeister zurück in die Havellandschaft, um hier auf die Pirsch zu gehen: nach Bildern und nach Beute.Denn in seinem Leben in Werder, Ferch und Entenfang verzahnten sich Jagen, Fischen, Malen und Obstbau auf eine Weise, die ihm in der Berliner Kunstszene bald den Ruf eines Sonderlings einbrachte.Ein "Erlegtes Reh im verschneiten Wald" (um 1885) - von Hagemeister gejagt, geschossen, gemalt, gegessen.Er sieht das tote Tier weder als Trophäe noch als Tragödie, sondern als Teil der Natur.Anders als den Romantikern dient ihm die Landschaft nicht als Projektionsfläche für Geschichtsphilosophie oder als Ort religiöser Empfindungen.Hagemeister geht es vielmehr um eine Autonomie der Malerei.Für jedes Bild legte er zuerst den Grundton der Stimmung, die "Wetterfarbe" fest, stets aus zwei Farben für Licht und Schatten gemischt.So entstand eine manchmal fast naturwüchsige Expressivität."Buchen am Bach" (um 1916): Breite Pinselbahnen lassen die Bewegung an der Leinwand spüren.An der Küste von Rügen malte er Wellen und Brandung vorzugsweise bei Sturm, nahm Finger und Fäuste zur Hilfe, wo der Pinsel nicht ausreichte, die Kraft der Elemente durch den Körper auf die Leinwand gleiten zu lassen.Dieser Hunger nach Unmittelbarkeit erscheint heute durchaus aktuell - vertraut aus Bildern der nicht mehr ganz so jungen Wilden, zum Beispiel von Salomés Seerosen oder Bernd Zimmers Landschaften.Selbst dem Überschwang, der kaum erträglichen Süße, die einen ganzen "Frühlingsabend" (1907) rosig aufglühen läßt, begegnet man in der Malerei heute als Verlangen nach Ergriffenheit wieder.Ein großer Teil der Gemälde gehört dem Bröhan-Museum.In den sechziger Jahren begann Karl Bröhan die weniger bekannten Maler der Berliner Secession zu sammeln.Mit Hagemeister setzt das Museum die Reihe monographischer Ausstellungen fort, die bisher Hans Baluschek, Maria Slavona, Walter Leistikow, Dora Hitz und Franz Skarbina vorstellten.Margrit Bröhan hat Hagemeisters Geschichte für die erste Werkübersicht des märkischen Malers recherchiert.Seine Blumen und Wälder dem Vorwurf des Dekorativen zu entziehen, dient auch einer Aufwertung des Museumsbestandes. Bröhan-Museum, Schloßstr.1a, Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr.Katalog (Nicolai Verlag) 39 DM, im Buchhandel 68 DM.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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