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Kultur: Die Droge Adrenalin

Opern-Diva Magdalena Kozená will kein Popstar sein. Ihr Traum: die „Carmen“ singen

Frau Kozená, Sie waren im Sommer 2002 dabei, als Anna Netrebko zum Star ausgerufen wurde. Sie sangen die Zerlina im Salzburger „Don Giovanni“, Netrebko die Donna Anna. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie den Medienrummel um Ihre russische Kollegin?

Anna ist jetzt ein Popstar – das ist eine Lebensentscheidung. Diesen Weg einzuschlagen ist toll, aber auch sehr riskant. Wen die Presse einmal zur Göttin erhoben hat, der muss fortan immer diese künstliche Aura bedienen, die die Medien um einen gelegt haben. Ich kritisiere Anna Netrebko nicht, es kann wunderbar sein, so umschwärmt zu werden. Das hat dann allerdings oft nur wenig mit Kunst zu tun.

Würde es Ihre Plattenfirma nicht auch gerne sehen, wenn Sie ein Yellowpress-Liebling wären?

Am Anfang hätten sie es sich gewünscht – aber sie haben schnell verstanden, dass dies nicht meine Art ist zu leben. Eine Karriere als Medienstar muss man wollen, das kann man nicht erzwingen. Ich brauche mein Privatleben, vor allem, weil ich einen Großteil meiner Zeit in den Job investiere.

Sie sprechen deshalb auch nicht gerne über Ihre Beziehung zu Simon Rattle, mit dem Sie einen kleinen Sohn haben. Sprechen wir also von der Musik. Als Tschechin setzen Sie sich für die Komponisten Ihrer Heimat ein.

Es ist eine schöne Pflicht. Nach dem Studium war ich allerdings zunächst ziemlich genervt von der Musik meiner Heimat, da wollte ich international sein, Schumann und Schubert singen. Aber jetzt weiß ich: Es gibt so viele großartige Interpreten für dieses Repertoire. Die meisten Sänger trauen es sich dagegen nicht zu, auf Tschechisch zu singen, weil sie es für zu schwer halten. Also sollte ich die tschechische Musik zu den Leuten bringen. Wenn ich einen Liederabend vorbereite, bekommen die Veranstalter oft einen Schreck, wenn ich unbekannte Namen vorschlage, weil sie Angst haben, die Tickets nicht loszuwerden. Dann aber kommt das Publikum doch und freut sich, mal etwas Anderes als die „Winterreise“ kennen zu lernen.

Wie teilen Sie Ihre Zeit zwischen Liederabenden und Opernauftritten ein?

Jeweils ungefähr zur Hälfte. Ich mache nicht mehr als zwei Musiktheater-Neuproduktionen pro Jahr, schließlich muss man jedes Mal sechs Wochen Probenzeit einplanen, und dann kommen noch die Aufführungen hinzu.

Proben Sie gerne?

Es hängt vom Regisseur ab, sechs Wochen können auch sehr lang sein. Normalerweise liebe ich es, mich auf eine Sache konzentrieren zu können, mit den Kollegen zu arbeiten, wie jüngst bei der Wiederaufnahme von Mozarts „Così fan tutte“ in New York. Ich singe sehr gerne an der Metropolitan Opera, die Akustik ist toll, ebenso das Orchester. Hinzu kommt eine besondere Atmosphäre: Alle sind wie eine Familie, es gibt sogar zwei Damen, die sich nur um die Sänger kümmern und auch mal Partys organisieren. So ein Zuhause-Gefühl hat man als freiberuflicher Solist selten.

Viele erfolgreiche Sänger beklagen die häufige Einsamkeit.

Die Brüche sind sehr hart: Erst der Applaus, die vielen Menschen im Theater – und nach dem Auftritt ist man dann plötzlich allein in einer fremden Stadt, doch man hat noch das Adrenalin im Körper. Den Preis muss man zahlen. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Und mal ehrlich: Ich habe meine Begeisterung zum Beruf gemacht, und ich bin dankbar, dieses Leben führen zu können.

Immerhin können Sie sich in vielen Ländern verständigen. Auf Ihrer CD „Songs“ von 2004 singen Sie in fünf verschiedenen Sprachen.

Mir macht es Spaß, wenn ich eine Sprache nicht nur korrekt aussprechen kann, sondern sie so weit beherrsche, dass ich die Mentalität des jeweiligen Volkes verstehe, die sich ja gerade beim Gebrauch von Metaphern oder Doppeldeutigkeiten zeigt. Das hilft mir sehr bei der Interpretation.

Kommen Sie aus einem Musikerhaushalt?

Nein, ungewöhnlicherweise habe erst ich die Begeisterung für Klassik zu uns nach Hause gebracht.

Als Kind wollten Sie Pianistin werden.

Kurz vor der Aufnahmeprüfung am Konservatorium habe ich mir die Hand gebrochen. Weil ich aber unbedingt auf die Musikhochschule wollte, habe ich es dann mit Gesang probiert. Ich hatte lange im Kinderchor des Sinfonieorchesters von Brno gesungen, wir hatten täglich Proben, am Wochenende sogar zweimal. Trotzdem sagte unser Dirigent immer: Ihr seid nicht gut genug für eine Solokarriere – weil er uns möglichst lange im Chor behalten wollte. Ich habe dann später Klavier und Gesang parallel studiert, aber letztlich fühlte ich mich als Mezzosopranistin wohler. Vor Auftritten als Pianistin hatte ich immer Riesenlampenfieber, beim Singen überhaupt nicht.

Sie waren nur eine Saison lang Ensemblemitglied an einem Theater.

Ja, als 23-Jährige an der Wiener Volksoper. Das war eine spannende Erfahrung, aber am Ende habe ich mir gesagt: Das mache ich nicht wieder. Zum Glück lernte ich den Dirigenten Marc Minkowski kennen und erhielt jede Menge Angebote aus dem Bereich der Alten Musik. Das barocke Repertoire ist sehr gut für junge Stimmen, weil es sie nicht überanstrengt.

Inzwischen machen Sie auch viel französische Musik.

Ich werde hoffentlich bald „Carmen“ singen! Natürlich ganz anders, als die Leute es gewohnt sind. Ich bin nun mal sowohl optisch wie auch von der Stimmfarbe her nicht die traditionelle Carmen. Aber ursprünglich hat Bizet das Stück ja für die Pariser Opéra comique geschrieben und zwar für eine leichte Stimme. Ich denke, man sollte mal ausprobieren, so nahe wie möglich an diese Ur-Carmen zu kommen.

Sie haben sehr jung Ihren ersten Gesangswettbewerb gewonnen. Wie wichtig sind solche Wettkämpfe?

Anders als beim Sport ist es in der Kunst unmöglich, durch einen Wettbewerb herauszufinden, wer der Beste ist. Aber der Stress bei so einer Ausscheidung ist enorm hilfreich, weil man schnell merkt, ob man die Nerven hat, die man für den Beruf braucht. Ich hatte wirklich Glück: Meine Lehrer haben mich ermutigt, früh an Wettbewerben teilzunehmen und mich dort auszuprobieren. Wer das überlebt, kann alles aushalten.

Das Gespräch führte Frederik Hanssen.

Magdalena Kozená , 1973 im tschechischen Brno (Brünn) geboren, gehört derzeit zu den gefragtesten Mezzosopranistinnen der Welt.

Gleich nach ihrem

Studienabschluss gewann sie 1995 den 6. Internationalen Mozart-Wettbewerb in Salzburg und gehörte zunächst zum Ensemble der Wiener Volksoper.

Mit 24 Jahren erhielt Kozená einen Exklusiv-Vertrag bei der Deutschen Grammophon , zuletzt erschienen dort ihre CD „Lamento“ und eine Einspielung von Glucks Oper „Paride ed Elena“ mit Kozená. Seit Ende der Neunziger ist sie regelmäßig Gast an den großen Häusern in Wien, Paris und an der New Yorker Met sowie auf den Festivals in Salzburg, Aix-en-Provence oder Glyndebourne. Nach einer kurzen Ehe mit dem französischen Bariton Vincent Le Textier lebt Kozená seit 2004 mit dem Chef der Berliner Philharmoniker Simon Rattle zusammen, in Berlin-Schlachtensee.

Am heutigen Dienstag singt sie in der Philharmonie die Arie der Dorabella aus „Così fan tutte“ sowie andere Werke von Mozart und Haydn. Rattle dirigiert das Orchestra of the Age of Enlightenment (20 Uhr).

Bei den Berliner Philharmonikern gastiert

Kozená außerdem beim Silvesterkonzert sowie vom 12. bis 14. Januar.

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