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Kultur: Die Einsamkeit des Politikers

Die Wahlwerbung im Internet verrät vor allem eins: Politik ist oft ein trauriges Geschäft

Von Caroline Fetscher

Wie soll sich der Kandidat ins rechte Licht setzen? Vor einer blühenden Landschaft darf er sich nicht präsentieren, auch nicht umringt von allzu vergnügtem Volk. Denn zweierlei muss klar werden: Die Lage ist schlecht, lautet Botschaft eins. Mit uns wird es besser, so Botschaft zwei. Anders als in der Werbung der Amtsinhaber muss also das Negative und das Positive kombiniert, kontrapunktisch komponiert und am Ende in einer Synthese gelöst werden. Im TV-Spot wandert der Kandidat mit der Nichtmehrkandidatin Merkel also durch Gebäude, in denen die Blätter – zerstreute Papierbögen – fallen, durch einen Wirtschaftsherbst, an dem die anderen schuld sind. In dieser Dante’schen Landschaft begegnen ihnen „die deutschen Arbeitslosen“. Die beiden finden die Worte: Das muss nicht so sein. Ein vages Versprechen liegt in der Luft.

Das richtige Wort für das Versprechen wäre „Zukunft“. Erstaunlicherweise fehlt es in diesem Wahlkampf weitgehend. Die weite, leere Zeithülle „Zukunft“, die weiße Leinwand der Projektion, das unentdeckte Territorium politischer, sozialer Fantasien und Optionen – davon ist nicht die Rede. Auch die haben Angst vor zu großen Versprechungen und den bitteren Konsequenzen, wenn die Realität dem Versprechen einen Strich durch die Rechnung macht. Die Parteien werben als Firmen, als Holdings und Corporations für ihre Sache. Manager Schröder im Fond eines Wagens telefoniert per Handy. Guido der Gelbe macht seinen n zum Label: „Westerwelle statt Pleitewelle“ verkündet auch der Internet-Auftritt der Partei, der ansonsten wie die Website einer Nachrichtenagentur aufgemacht ist. Yellow Press, sozusagen.

Überhaupt, die Websites. Im Vergleich mit den Plakaten erweisen sie sich als ikonographisch und inhaltlich ergiebiger. Nicht nur, dass überall die vollständigen Programme abrufbar sind. Bei www.spd.de springt einen die Dynamik des Kanzlers gleich an. Dann erzählt sie sein Leben, parallel zu Ereignissen der Zeitgeschichte, Landung der Alliierten in der Normandie, Mauerbau, Brandts Kniefall in Warschau – und bald sieht man den Staatsmann mit der Zeitgeschichte verbunden: Händeschütteln mit Brandt und Schmidt. Die Darstellung vom Leben des Kandidaten folgt auf der Website www.cdu.de – Motto: „Zeit für Taten“ – eher konservativen Traditionen der Narration. Bei der Dramaturgie der Vita denkt man ans Fotoalbum – von den anrührenden Bildern des kleinen Edmund im Laufstall und hinter einem Gartenzaun in Bayern hin zu Fotos mit der Gattin, die an seiner Schulter lehnt bis zu Abbildungen von Arbeitsessen und Kundgebungen. Auf der Website kann man auch im CDU-Laden virtuell einkaufen, und den CDU-Seemansrucksack erwerben, sowie CDU-Handysessel, Baseballcap, Beach-Volleyball, Regenschirm. Eine Warenpalette, die man bei www.fdp.de erwartet hätte, wo es aber nichts zu kaufen gibt und auch nichts umsonst.

Die Grünen haben den Vorteil der Farbe. Kein dumpfes Schwarz, kühles Blau, grelles Rot oder Gelb, sondern sanftes Hellgrün bestimmt die Anmutung der Homepage. Und hier taucht sie auf, die Zukunft: Einen „Vertrag für Zukunft“ verspricht „Joschka“ den Wählenden, innovativ, ökologisch und sozial gerecht. Dazu stemmt der Minister den Kopf in die Hände, wie einer der zuhört und sich Zeit nimmt. Allein sind sie fast alle fast immer, in der Werbung zur Wahl: Politiker sind einsam. Sie warten auf unsere Stimmen, damit sie mit ihrer Stimme für uns sprechen. Glückauf.

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