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Kultur: Die Eiserne Lady ist ein Tramp. Christa Thoben geht - wer kann die Berliner Kulturpolitik retten? (Kommentar)

Der Rücktritt kam unverhofft, aber das Scheitern war schon angelegt im Beginn. Als Christa Thoben, aus Nordrhein-Westfalen kommend, im Dezember überraschend zur neuen Berliner Senatorin für Kultur und Wissenschaft berufen wurde, da war der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD, zwischen den Herren Diepgen, Strieder & Co längst ausgehandelt.

Der Rücktritt kam unverhofft, aber das Scheitern war schon angelegt im Beginn. Als Christa Thoben, aus Nordrhein-Westfalen kommend, im Dezember überraschend zur neuen Berliner Senatorin für Kultur und Wissenschaft berufen wurde, da war der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD, zwischen den Herren Diepgen, Strieder & Co längst ausgehandelt. Zwar wusste jeder, dass auf dem Feld von Kultur und Wissenschaft in Berlin ein Problemdschungel wuchs und zur Rodung, Lichtung und Neuorientierung kein Kleingärtner mehr bestellt werden dufte. Also wurde als Kandidat unter anderem Wolf Lepenies aus dem Weltpark der Wissenschaften gehandelt - bis Regierungschef Diepgen mit der CDU-Präsidin Thoben ein ausgewiesenes politisches Talent mit dem Ruf einer Powerfrau engagierte und sie zugleich in den Rang der Bürgermeisterin erhob. Doch die erhoffte neue Gestalterin hatte auf ihren Handlungsspielraum überhaupt keinen Einfluss nehmen können. Alle finanziellen und struktur-relevanten Rahmenbedingungen waren bereits beschlossen - und Thoben hatte zum Zeitpunkt ihrer Ernennung kaum eine Vorstellung, was sie in ihrem neuen Job tatsächlich erwartete. Die ehemalige Staatssekretärin und Berlin-Umzugsbeauftragte von Bauminister Töpfer zog um ins große Unbekannte.

Man muss an die Fahrlässigkeit auf allen Seiten erinnern, bevor mit dem Thoben-Rücktritt nun die allzu rührende Legende vom Königinnen-Opfer und der getäuschten Einzelkämpferin entsteht. Die Berliner Koalitionäre, allen voran Eberhard Diepgen, hatten wider alle öffentlichen Warnungen und wohl auch besseres Wissen die Kulturpolitik hintangestellt und eine Entscheidung über die Nachfolge des Berliner Kultursenators Radunski erst in letzter Minute getroffen. Dann kam eine begabte, integere Technokratin. So schnell sie die Notwendigkeit der Veränderungen erkannte - ihre Management-Qualitäten konnte sie mangels Manövriermasse niemals ausspielen.

Berlins Haushaltslage zwingt zu Einsparungen. Gleichzeitig gibt es in den öffentlich geförderten Wissenschaftseinrichtungen, in Theatern, Opern und Museen (beim nicht-künstlerischen Personal) einen beträchtlichen Stellenüberhang. Weil die Häuser zudem Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst mit ihren Etats nicht mehr ausgleichen können, sind betriebsbedingte Kündigungen - vor der Schließung einzelner Insitute - die einzige Konsequenz. Diese aber untersagt der Koalitionsvertrag.

Man wird keinen neuen Kultursenator von Rang finden, der insoweit nicht auf neuen Koalitionsvereinbarungen bestehen müsste. Doch braucht es auch zusätzliche Gelder zur Entschuldung von Theatern und Opern, um diese dann in anderen Rechtsformen (GmbHs, Stiftungen) aus dem Korsett des öffentlichen Dienstes befreien zu können. Neben Etatumschichtungen innerhalb des Berliner Gesamthaushaltes - von dem Kultur und Wissenschaften nur etwa zweieinhalb Prozent ausmachen - kämen Gelder aus Grundstücksverkäufen und Lotto-Mittel in Betracht. Angeblich stehen als Reptilienfonds noch etwa 20 Lotto-Millionen bereit.

Überfällig ist neben einem neuen, Berlin stärker entlastenden Kulturhauptstadt-Vertrag mit dem Bund auch eine Reform des gesamten tariflichen und arbeitsrechtlichen Gefüges in Theatern, Bühnen und Orchestern. In diesen Bereichen gestalterisch tätig zu werden, setzt allerdings auch eine gewis^se qualitative Kenntnis der Kultureinrichtungen voraus. Hier aber war Christa Thoben weder die eiserne noch die musische Lady. Sie war vielmehr gar nicht vorhanden. Sie kennt bis heute Berlins Theater und Opernhäuser fast nur von außen. Und der überforderteKulturstaatssekretär, ein Mann aus Götz Friedrichs Deutscher Oper, die selber längst der inneren Renovierung bedarf, ist Thobens höchsteigene Fehlbesetzung: So ermangelte sie, die Newcomerin, von Anfang an der dringend notwendigen Beratung, Absicherung, Assistenz.

Was folgt, wer folgt? Thobens Nachfolger erwartet weiterhin der kulturpolitische Sumpf, den Kulturstaatsminister Michael Naumann im nebenstehenden Interview beschreibt. Mythologisch gesprochen, ist jetzt eine Paarung aus Odysseus (List und Schwert) sowie Athene (Geist und Panzer) gefordert. Schon kursiert Christoph Stölzls Name und der des früheren Wissenschafts-Staatssekretärs Erich Theis. Letzterer gilt als eisenhart, dagegen ist Stölzl ein Mann mit Fantasie. Dabei konnte er als Direktor des Deutschen Historischen Museums immer aus dem Vollen schöpfen. Jetzt aber müsste der Kandidat erst mal selberins leere Füllhorn blasen.

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