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Kultur: Die Entdeckung der Großzügigkeit

Francesca von Habsburg ist eine wandlungsfähige Mäzenatin: Einst bewahrte sie Weltkulturerbe, heute unterstützt sie Medienkünstler

Frau von Habsburg, früher haben Sie bedrohte Kulturschätze gerettet und dazu 1991 die Stiftung Arch gegründet. Nun gibt es seit zwei Jahren TB A21, Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Ihre Stiftung für zeitgenössische Kunst. Sie umfasst eine Kollektion von über 160 Werken. Am Dienstag eröffnen Sie in Wien den Projektraum „Space in Progress“. Weshalb der Wechsel zur aktuellen Kunst?

Vielleicht hatte ich, solange mein Vater noch lebte, einfach nicht genügend Mut, selbst zu sammeln. Erst, nachdem klar war, dass die Villa Favorita als Ort der Thyssen Foundation nicht mehr existieren würde, festigte sich der Entschluss, das Erbe meines Vaters fortzusetzen. Jetzt führe ich die Kollektion in vierter Generation direkt ins 21. Jahrhundert. Ich wollte auf keinen Fall nach rückwärts sammeln, auch wenn es nun eine Lücke von rund vierzig Jahren gibt, denn mein Vater hörte mit Roy Lichtenstein und Lucien Freud auf. Aber ich denke, es ist wichtiger, ein eigenes Profil und eine Perspektive zu entwickeln, als pflichtbewusst Werke zu ergänzen.

Mit welchem Kapital haben Sie T-B A21 gegründet?

Als mein Vater 2002 starb, gab es in der Villa Favorita ein großes Konvolut von amerikanischen Gemälden des 19. Jahrhunderts. Da dieser Bereich im Thyssen-Museum in Madrid schon hervorragend vertreten ist, habe ich 15 oder 20 dieser Werke verkauft. Der Erlös ist der Grundstock der Stiftung, ihr Sitz in Wien. Die Stadt ist der experimentellen Kunst gegenüber derzeit besonders aufgeschlossen.

Welches Konzept hat die Sammlung?

Wir konzentrieren uns auf Arbeiten aus dem Bereich der Medienkunst und auf Fotografie. In vielen Videoinstallationen geht es um Beziehungen zwischen Menschen, um Gefühle und Ängste. Das sind für mich aktuelle, brennende Themen. Pioniere der Medienkunst und der Fotografie wie Bill Viola, Douglas Gordon, Peter Fischli und David Weiss oder Cindy Sherman positionieren die Sammlung. Ich fand es auch wichtig, Künstler einzubeziehen, die großen Einfluss auf die junge Generation haben wie Dan Flavin und Jenny Holzer. Aber das Hauptanliegen der Stiftung ist es, junge Medienkünstler bei der Finanzierung ihrer Werke zu unterstützen und Locations zu finden, an denen sie ihre Installationen präsentieren können.

Eine Plattform bieten Sie ihnen jetzt mit dem 150 Quadratmeter großen „Space in Progress“. Die kanadische Videokünstlerin Janet Cardiff weiht ihn mit der Schau „Walking thru“ ein. Was fasziniert Sie an ihren Arbeiten?

Wir zeigen fünf Audio-Installationen und eine Serie neuer Collagen, wobei „The Forty Part Motet“ im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste präsentiert wird. Für mich ist Janet Cardiff, die ja oft mit George Bures Miller zusammenarbeitet, eine der innovativsten Künstlerinnen der Gegenwart. Sie sensibilisiert uns dafür, wie stark nicht nur Sehen, sondern auch Hören unsere Wahrnehmung der Realität beeinflussen.

Sie nennen Ihren Raum „Space in Progress“. Er soll also mehr sein als ein Ausstellungsraum?

Ja. Zunächst ist er Zentrum der Aktivitäten der Stiftung. Darüberhinaus fungiert er als Laboratorium für die Entwicklung neuer Projekte, die dann an den unterschiedlichsten Orten der Welt gezeigt werden sollen. Im „Space in Progress“ werden sie entworfen, vorgestellt und dokumentiert. Der Raum soll offen, mobil und experimentell sein.

Ihre Sammlung haben Sie im Vorjahr zum ersten Mal ausgerechnet in Dubrovnik öffentlich präsentiert. Warum?

Dubrovnik ist die Stadt, die ich 1991 mitten im Krieg besucht habe. Es zerriss mir das Herz, als ich sah, wie brutal die historischen Bauten im Altstadtkern attackiert worden waren. Unter diesem Schock habe ich Arch gegründet. Aber die Vergangenheit dominiert hier zu stark. Ich finde es wichtig, dass gerade solche kulturgeschichtlich bedeutenden Orte den Anschluss an die Gegenwart finden. Junge Kunst ist dafür das kraftvollste Vehikel.

Wird die dalmatische Hafenstadt auch künftig eine Rolle für Aktivitäten von T-B A21 spielen?

Die örtliche Presse reagierte begeistert. Aber mein weiteres Engagement hängt davon ab, ob mich die verantwortlichen Politiker unterstützen. Ich glaube an ihre Lernfähigkeit.

Auf der nahe gelegenen Insel Lopud restauriert die Stiftung gerade mehrere Gebäude, darunter ein Kloster und ein Hotel. Wollen Sie hier ebenfalls Kunst integrieren?

Am Anfang träumte ich davon, in dem Kloster meine Villa Favorita zu etablieren. Jetzt kommt es, wie gesagt, auf die Kulturminister der Region an, ob ich hier langfristig etwas Bleibendes entwickeln kann. Zurzeit denke ich über ein artists-in-residence-Projekt nach, bei dem Künstler einige Zeit auf Lopud leben. Ich glaube, die Identität einer Sammlung entsteht nur so, von innen heraus.

Auf Jamaica in der Karibik besitzen Sie ebenfalls ein Haus.

Auch hierher werde ich Künstler einladen. Wenn man Kunst nur anhäuft, kann eine Sammlung keine Seele entwickeln.

Hat Kunst eine existentielle Dimension für Sie?

Unbedingt. Die Neunzigerjahre waren eine Epoche ungeheurer Gier. Künstler und Sammler bewegten sich in einem VIP-System, innerhalb einer pyramidischen Struktur. Jeder wollte ein Megastar sein. Wenn man fragt, warum, kann ich nur antworten: wegen des totalen Mangels an Großzügigkeit auf allen Seiten. Wir müssen wieder philanthropischer werden. Das hat nichts damit zu tun, wie viel wir besitzen, sondern es ist eine Charaktereigenschaft. Ich suche Soul Sisters and Brothers mit dieser Haltung.

Also hilft aktuelle Kunst, sich selbst besser auszudrücken?

Ganz sicher. Für mich ist die Nähe zu den Künstlern ausschlaggebend. Ich empfinde es als großes Privileg, mit ihnen, dazu einigen Galeristen und Beratern wie Max Wigram oder Norman Rosenthal gemeinsam Projekte in Bewegung zu setzen. Schon immer war ich eine Protagonistin, jemand, der versucht hat, die eigenen Träume zu verwirklichen und gleichzeitig dazu beizutragen, dass andere ihre Ideen umsetzen können. Es ist bereichernd, die Kreativität von Talenten zu unterstützen. Ich möchte gerne ein Katalysator sein, der die Energien von Menschen bündelt und anfacht. Die aktuelle Kunst ist sehr von Inhalten bestimmt. Mir geht es ebenfalls um Inhalte.

In Ihrer Sammlung befinden sich überwiegend Fotoarbeiten und Videoinstallationen. Müssen Sie sich nicht auch konservatorischen Herausforderungen stellen?

Allerdings! Wie erhalten wir diese Kunstwerke in den nächsten 100 Jahren? Das ist die Schlüsselfrage. Eine Anliegen meiner Stiftung ist es, mit anderen Sammlern von Medienkunst Erfahrungen auszutauschen. Wir müssen uns Gedanken über das Follow up machen, über Lagerung, Restauration, Konservierung. Vielleicht organisiere ich eine Konferenz zu diesem Thema. So schließt sich dann auch wieder der Kreis zu meiner Aufgabe, Kultur zu bewahren.

War Ihr Vater als Sammler und Mäzen für Sie ein Vorbild?

Ich glaube, ich habe sein philantropisches Gen geerbt. Anfang bis Mitte der Achtzigerjahre reiste ich mit ihm durch die damalige Sowjetunion. Es gab Interesse an einer Tournee von Werken seiner Sammlung durch einige Museen. Der erste Leihvertrag war von Leonid Breschnew unterzeichnet worden! Damals habe ich gelernt, wie man mit kulturellen Projekten politische Grenzen überschreiten kann. Kunst ist ein machtvolles Werkzeug, wenn es darum geht, Barrieren zu durchbrechen. Ein Vorbild war mein Vater auch in seinem ständigen Bemühen, seine Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, Kataloge zu publizieren, ein Archiv und eine Bibliothek aufzubauen und die Kollektion professionell zu managen.

Welches waren Ihre Lieblingswerke in seiner Sammlung?

Einige hängen in meinem Haus, zum Beispiel eine späte Landschaft von Maurice de Vlaminck. Als kleines Mädchen liebte ich ein Gemälde von Frans Hals mit einem Geigenspieler. Und sehr beeindruckt, fast verstört hat mich ein Bild von Christus mit den Wundmalen. Leider erinnere ich mich an den Namen des Künstlers nicht mehr.

Und was sind die Favoriten in Ihrer Kollektion?

Die Videoinstallation „Related Legs (Yokohama Dendelions)“ von Pipilotti Rist finde ich ganz hervorragend. Die Werke von Olafur Eliasson schätze ich alle, aber auch Thomas Struths Museumsbilder. Zurzeit fasziniert mich vor allem zeitgenössische Skulptur.

Haben Sie einen Rat für andere Sammler?

Kunst sollte ein Spiegel der eigenen Vision sein.

Was ist Ihre Vision?

Ich glaube, dass das 21. Jahrhundert die Ära der Herzensgüte und der Großzügigkeit ist.

Das Gespräch führte Eva Karcher.

Space in Progress, Himmelpfortgasse 13, Wien; die Ausstellung mit Werken von Janet Cardiff läuft vom 21. April bis zum 26. Juni.

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