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Kultur: Die Explosion im Auge des Betrachters

Die Kunsthalle Wien stellt das Werk des Biennale-Preisträgers Cai Guo-Qiang vorBernhard Schulz Spätestens mit der zurückliegenden Biennale von Venedig ist die Präsenz asiatischer, insbesondere chinesischer Künstler der Gegenwart unübersehbar geworden. Die früher verwendeten Unterscheidungen von "westlicher" und "nicht-westlicher" Kunst gehören endgültig der Vergangenheit an.

Die Kunsthalle Wien stellt das Werk des Biennale-Preisträgers Cai Guo-Qiang vorBernhard Schulz

Spätestens mit der zurückliegenden Biennale von Venedig ist die Präsenz asiatischer, insbesondere chinesischer Künstler der Gegenwart unübersehbar geworden. Die früher verwendeten Unterscheidungen von "westlicher" und "nicht-westlicher" Kunst gehören endgültig der Vergangenheit an. Den Internationalen Preis dieser 48. Biennale erhielt denn auch ein Künstler aus China zugesprochen: Cai Guo-Qiang.

Seine Kunst ist spektakulär im wahrsten Sinne des Wortes. Cai Guo-Qiang arbeitet gerne mit Schießpulver, das er für Aktionen ebenso verwendet wie zur Herstellung eigentümlicher Zeichnungen. Der 42-jährige, seit 1995 in New York lebende Künstler knüpft mit der spielerischen Verwendung des explosiven Materials bewusst an die Tradition chinesischer Festlichkeiten an, bei denen Schwarzpulver Verwendung fand, lange bevor es von den Europäern in seiner militärischen Nutzbarkeit erkannt wurde.

Die Wiener Kunsthalle richtet Cai Guo-Qiang jetzt eine Einzelausstellung in ihren nur noch auf kurze Zeit genutzten Räumlichkeiten im ehemaligen Messequartier aus. Das Messe- wird zum Museumsquartier umgebaut, und die Kunsthalle wird neue Räume im rückwärtigen Teil des Areals erhalten. Den künftigen Standort hat Cai bereits mit einer Feuerwerks-Installation im November markiert, die am späten, bereits in die Dämmerung übergehenden Nachmittag die Form eines Drachens über den Baukränen nachzeichnete. Solche Feuerwerke unter der Sammelbezeichnung "Dragon Sight", "Drachensicht", hat Cai vielerorts inszeniert; das Wiener Vorhaben wird bereits als Nummer 32 geführt. Die Fotografien, die die allzu flüchtige Schönheit der im Augenblick ihres Aufblitzens bereits wieder vergehenden Figuren festhalten, finden ihrerseits in den vielgestaltigen Arbeiten des Künstlers Verwendung.

Auch die Kunsthalle Wien hat mit dem Katalog zur Ausstellung gewartet, bis die Aufnahmen von dem novemberlichen Spektakel einbezogen werden konnten. In Wien haben die Besucher die Möglichkeit, kleinere Explosionen selbst herbeizuführen: Die Installation "I am the Y2K Bug" im gewölbten Hauptsaal der Kunsthallen-Räume lässt aus einem Feld von "Abschussröhren" veritable Theaterböller aufsteigen, je nach dem, auf welche der unter dem Fußbodenbelag versteckten Kontakte der Besucher gerade getreten ist. Die pilzförmige Explosionswolke, die über dem Feld aufsteigt, lässt für eine Sekunde ihre tatsächliche Dimension vergessen und bleibt im Auge als Symbolbild des Schreckens unseres zu Ende gehenden Jahrhunderts haften: als Bild der detonierenden Atombombe.

Solche Pilzwolken stellen für den Künstler das "machtvollste visuelle Bild des 20. Jahrhunderts" dar. Mit ihrem Bild operiert er in vielen Arbeiten. Fotografien, die den Künstler mit einer Pilzwolke vor der Silhouette Manhattans zeigen, verraten nicht, dass er selbst sie mit einer Tabakspfeife erzeugt hat: Genau so gut könnte "die" Bombe auf die Wolkenkratzer gefallen sein. Cai Guo-Qiang unterläuft die von der medialen Verbreitung symbolbeladener Bilder verfestigte Wahrnehmung weniger auf subversive, denn auf spielererische Weise.

Spielerisch ist die Einbeziehung der Besucher seiner Ausstellung. In einem Raum wird ein angeblich lebensverlängernder, jedoch nur in kleinen Mengen zu genießender Tee angeboten, während die umgebenden Wände mit Fotos zahlloser pyrotechnischer Aktionen gefüllt sind. Im anschließenden Raum dann ein vollständiger Kontrast: Papierdrachen liegen auf einer künstlichen, hügeligen Wiese und laden dazu ein, in dem von Ventilatoren erzeugten Wind zum Steigen gebracht zu werden. Die Besucher folgen der Einladung mit sichtlicher Freude.

Cai Guo-Qiang spielt mit solchen tradierten Handlungen. Die Figur des Drachens wird in ihren vielfältigen kulturellen Bedeutungen aufgenommen. So schlagen die Installationen eine Brücke zwischen Ost und West, die nicht auf die Einebnung der Unterschiede zielt, aber ebenso wenig auf eine exotistische Betonung des Andersseins.

Cai Guo-Qiang nimmt eher die distanzierte Position der Ironie ein. Es ist dies eine, wenn nicht die naheliegende Position nach dem Ende der ideologischen Bevormundung, unter der er - Angehöriger des Jahrgangs von Maos verheerendem "Großen Sprung nach vorn" - aufgewachsen ist. An den Schrecken, den sich die Menschheit nach dem Ende der ideologischen Konfrontation der beiden weltpolitischen "Blöcke" schon wieder abgewöhnt hat, rührt der Künstler in Bildern, die auf dem Grat zwischen Spiel und Zerstörung balancieren. Das Ausmaß des Möglichen stellt sich erst im Bewusstsein des Betrachters her.Wien, Kunsthalle im Museumsquartier, Museumsplatz 1/6/1, bis 27. Februar. Katalog (Vlg. d. Buchhandlung Walther König, Köln) öS 190.

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