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Kultur: Die Farbe der Triebe

Frauen neben der Spur: Jane Campions erotischer Thriller „In the Cut“

Es ist still geworden um Jane Campion. Nach „Holy Smoke“ von 1999, ihrem psychedelischen Trip in die australische Wüste, hat die neuseeländische Regisseurin nichts mehr von sich hören lassen. Keine Alleingängerinnen-Filme mehr, keine Fortsetzung ihrer Ahnengalerie des Weiblichen. Die hässliche „Sweetie“, die scheue Schriftstellerin Janet Frame in „Ein Engel an meiner Tafel“, die stumme Ada in „Das Piano“, die scheiternde Isabel Archer in „Portrait of a Lady“ – immer hat Jane Campion das Recht auf Schwäche verteidigt, auf die Eigenheit der Frauen. Mit Kerry Fox, Holly Hunter und Nicole Kidman hatte sie großartige Schauspielerinnen auf ihrer Seite. Sie nahmen sich die Freiheit, die sie meinten: Das war stärker als gewöhnliche Frauenpower.

Nun kehrt Campion mit „In the Cut“ zurück, mit Meg Ryan als Heldin eines erotischen Thrillers, angesiedelt im New Yorker East Village. Toll, denkt man: die Unterwelt von Gewalt und Leidenschaft, das Schattenreich verbotener Begierden, das Film-Noir-Genre mit Detectives und Nachtbars, Serienkillern und zerstückelten Frauenleichen – wie inszeniert die Frauenregisseurin diese Männerfantasie?

Die Literaturdozentin Frannie (Meg Ryan) arbeitet an einem Buch über Slang: „In the Cut“ ist eines dieser rüden Idiome. Sie trifft sich mit einem Studenten in der Red Turtle Bar, geht dort in den Keller und sieht widerwillig fasziniert bei einer Fellatio zu: eine Schöne mit blauen Fingernägeln, ein Freier im Schatten, ein Penis, ein Tattoo auf dem Handgelenk. Am nächsten Tag ist die Schöne tot, grausam ermordet. Und Frannie gerät in eine liaison dangereuse mit Detective Malloy (Mark Ruffalo), auf dessen Handgelenk sie jenes Tattoo entdeckt. Ein klassischer Plot mit Happy End, das dem nachtschwarzen Finale der Romanvorlage von Susanna Moore nicht gerade entspricht.

Und die Bilder? Gezielte Unschärfen, schräge Winkel, fast nur Nahaufnahmen. Zerwühlte Betten, verstrubbeltes Haar, ein klimperndes, klingelndes Armband. Blut, viel Blut. Überblendungen, diffuses Halbdunkel, Horrorvisionen im Zwielicht: Die Farben schillern im Rotlichtbezirk, die Kamera macht Schlieren. Meg Ryan und Jennifer Jason Leigh als Frannies Halbschwester Pauline laufen als verhuschte Wesen durchs Bild, morgenmuffelmüde. Frauen neben der Spur.

Jane Campion schwärmt von Thrillern wie „Klute“, „Taxi Driver“ und „Seven“. Aber warum mündet ihre Antwort auf „Sex in the City“ auch nur ins Muster von der allzeit gefährdeten Weiblichkeit und vom allerorten bedrohlichen Mann? Momentweise gelingt die giftige Ballade von der sexuellen Hörigkeit und von der himmelschreienden Unmöglichkeit, eine unabhängige und romantische Frau zu sein. Da ist die Braut in Weiß in der U-Bahn, deren Fenster mit Versen aus Dantes Inferno gespickt sind. Da sind brutale Slapstick-Rückblenden auf die jungen schlittschuhlaufenden Eltern und flüchtige Stillleben von der einsamen Großstadtneurotikerin. Und da ist Kevin Bacon, der als Frannies Ex-Lover verquere Kurzauftritte absolviert: ein sympathisch abgehalfterter Wiedergänger des „Hollow Man“.

Allein, es hilft nichts. Nicht gegen die Softporno-Ästhetik der Sexszenen. Nicht gegen Jennifer Jason Leighs tränenseligen Schlafzimmerblick samt pseudoerotisch verschmiertem Lippenstift. Jane Campion will das Fragile und Laszive gegen den Machismo verteidigen. Aber sie treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus und überfrachtet die Bilder, indem sie eben das Laszive überdeutlich zur Schau stellt. Allein die Farbe Rot: Rotwein, Blut, Leuchtreklame, ein Kleid und ein knallroter Leuchtturm (Virginia Woolf lässt grüßen) als Schauplatz des Showdowns. Oder das Motiv der Befangenheit: Ständig ist der Blick verstellt, versperrt, vergittert.

Am Ende muss sich Frannie mit Gewalt der Gewalt entledigen, wie in einem B-Picture vom TV-Spätprogramm. Anscheinend weiß nicht mal Jane Campion einen anderen Ausweg. Ein Offenbarungseid? Ein Albtraum.

In acht Berliner Kinos

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