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Kultur: Die Farben der Macht

Große Oper in Cinemascope: Zhang Yimous bildersattes Historienspektakel „Hero“

Bei allem Leuchten: ein finsterer Film. Da mögen die Kostüme der Protagonisten noch so sehr in Rot, Grün und Weiß strahlen, da mögen die Seen noch so türkis funkeln und die herbstlichen Blätterwirbel noch so ins Goldene treiben – die herrschende Farbe ist Anthrazit, ja Schwarz. Oder ist es die Farbe der Herrschenden? Der große Diktator, düster gekleidet, lebt in einem dunklen Palast, zu dem unendlich viele schieferfarbene Treppenstufen hinaufführen, und seine Leibgarde wie seine Armeen stecken in grauem Tuch und gräulich schimmernder Rüstung, ein immer nur massenhaft aufmarschierender, mit Pfeilen, Katapulten, Schwertern und Schilden bewaffneter Todes-Clan. Unter diesem sonnelosen Himmel möchte man nicht leben, hier ist sogar die Luft aus Blei.

Bei aller Finsternis: ein leuchtender Film. Das Herz dieser Schwärze mag ein gleichgeschalteter vorzeitlicher Machtapparat sein, wie er selbst uns Bewohner der postmodern atomar bewaffneten Welt schaudern macht, aber solche lichtlose Oberunterwelt macht noch keinen Film. Mit welch feuriger Wucht dagegen bewegen sich die Helden Zerbrochenes Schwert (Tony Leung), Fliegender Schnee (Maggie Cheung), Weiter Himmel (Donnie Yen), Leuchtender Mond (Zhang Ziyi) und vor allem der Namenlose (Jet Li), die dem machtlüsternen König Qin (Chen Dao Ming) nach dem Leben trachten! In welch weiten Landschaften, in welch prächtig illuminierten Hallen fechten sie ihre Liebes-, Intrigen- und Machtkämpfe aus! Liebe und Tod, Leidenschaft und Pflicht, Disziplin und Selbstaufopferung: große Gefühle! Große Oper in Cinemascope!

Ja, es sind die farblichen Wärme- und Kältezonen, die Emotionalchoreografie dieser gewaltigen Tableaus, die sich als erstes in Netzhaut und Gedächtnis brennen; und sie halten sich darin merkwürdig unversehrt, wenn die politische Debatte um diesen monumental perfektionistischen Film längst das Bewusstsein passiert hat. Es sind nicht die geißelnden Kritiken aus China – „tiefe Unterwürfigkeit“ diagnostizierte die „Jugendzeitung“, und die „Nachrichtenwoche“ schimpfte Regisseur Zhang Yimou gar einen Reaktionär –, die angesichts des allumfassenden Siegs des Despoten und seiner Heerscharen die finale Summe dieses Filmes ziehen. Auch der „Hero“ ist am Ende nicht einmal jener letzte Attentäter namens Namenlos, der den schon geschlagenen König verschont und sich – im Tausch für die Mahnung an den Herrscher, für Frieden zu sorgen – von tausend Pfeilen töten lässt. Nein, die Helden sind jene, die die Indianernamen unserer Kindheit tragen: all die Leuchtenden Schnees und Fliegenden Schwerter, die Freiheitskämpfer, die angesichts der großen Niederlage ihren eigenen Tod im Panorama gewaltig leerer Landschaften suchen.

Der erfüllte Traum

Schaut man so – mit zugegeben mildem Blick – auf „Hero“, so kann man dieses eisern gebaute Kunstwerk so genießen, wie auch Zhang Yimou, der einstige Dissident und auf allen Weltfestivals preisgekrönte Regisseur, seinen Film wohl selbst genossen hat: als Möglichkeit, die größten chinesischen Filmstars und eine gewaltige Zahl von endlich einmal nicht durchweg am Rechner generierten Statisten für die Illustrierung einer uralten chinesischen Legende zu gewinnen. Vielleicht packte diesen Bild- und Bewegungsmeister auch die Lust, das Hongkong-Industrieprodukt Martial-Arts, das in Filmen wie Ang Les „Tiger and Dragon“ und der „Matrix“-Saga der Gebrüder Wachowski für Amerika weichgespült wurde, einmal weltmarkttauglich ganz von archaisch-asiatischer Strenge dominieren zu lassen. Das ergibt eine Art Cross Culture aus urzeitlichem Gefechtslärm und hinreißend choreografierten Duellen, aus Dolby-Surround-Hufegetrappel und leinwandfüllend streichelnder Kalligrafie, aus geometrischen Schlachtordnungen und mit heißkaltem Herzen vollzogenem Doppel(selbst-)mord aus Liebe – und das ist doch schon mal was.

Dennoch, die politischen Einwände sind ebenso naheliegend wie verständlich. Die Geschichte des Despoten, die den Film grundiert, fordert selbst im sich immer stärker säkularisierenden China (wozu auch die offene Medienkritik an „Hero“ gehört) den aktuellen Bezug geradezu heraus; schließlich sind noch immer jene Machthaber am Werk, deren ideologische Paten unter anderem das Massaker am Tiananmen-Platz zu verantworten haben. Andererseits erzählt die „Hero“-Legende eindeutig von einer Zeit vor 2200 Jahren, als die Einheit Chinas blutig vollzogen und der Staat erst gegründet wurde – und die erdrückende Übermacht des neuen Herrschers und die ebenso erdrückend gleichgeschalteten Strukturen unterschlägt der Film keineswegs.

Der Kaiser Qin? Ein einsamer Patriarch in seinem Machtgehäuse, dem nur noch ein paar von den unterlegenen sechs Reichen entsandte Attentäter etwas anhaben können. Sein Volk? Ein Ameisenheer von „Heil!“-Rufern. Der Mythos der Gründung Chinas? Das Werk eines Finsterlings, dessen Wirken allenfalls die Geschichtsbücher veredeln. Die Vereinheitlichung von Maßen, Gewichten, Münzen und Schriftzeichen, der Bau der Chinesischen Mauer, die damit gewonnene innere und äußere Stabilität, der Aufstieg Chinas zum Großreich: alles nur bewerkstelligt mit den Instrumenten einer bis an die Zähne bewaffneten Diktatur. Ja, man kann, wenn man die Gedankenpolizei nur ein bisschen auf Wanderschaft schickt, „Hero“ auch ganz anders lesen.

Zhang Yimou hat, sagt er, einen Actionfilm drehen und sich endlich, abseits vom notorischen Kritikerlob, aus dem kommerziellen Organismus Film „ein Stück Fleisch herausschneiden“ wollen. Die Operation ist gelungen – in China gilt „Hero“, mit 30 Millionen Dollar Produktionskosten für chinesische Verhältnisse unglaublich teuer, schon heute als größter Kassenhit seit Menschengedenken. Hat Zhang Yimou also, ein Kunststück für sich, mit einem Kotau vor Kommunisten schlicht kapitalistisch Kohle machen wollen? Ja, auch das ist offenbar möglich im neuen China – und zugleich ein Symptom dafür, dass die Strukturen längst viel beweglicher als so manche Köpfe sind.

Alhambra, Cinemaxx Colosseum und Potsdamer Platz, Cubix Alex, Delphi, Eva, International, Yorck, Zoo Palast; Cinestar Sony Center (Original mit engl. Untertiteln)

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