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Kultur: Die Fünf-Minuten-Cowboys

Im Country-Stil durch die Hitparade: Warum nur haben BossHoss aus Berlin solchen Erfolg?

Jetzt folgt genau die Art von Musikermärchen, auf das Tresenbeißer, erfolglose Tanzmucker und Hobbygitarristen, die im Hauptberuf Lehrer sind, immer hoffen: Es war einmal eine Band, die aus gestandenen, aber relativ erfolglosen Musikern bestand. Deren Mitglieder hatten bereits seit Jahren in verschiedenen Formationen ihr Glück gesucht und nach einem Abend mit viel Alkohol eine Idee. Sie traten auf einer Party auf, die ihr einziges Konzert bleiben sollte, und bekamen von dieser Party weg einen Plattenvertrag von einem Majorlabel nachgeschmissen. Die erste CD steigt auf Platz 11, die zweite, soeben bei Universal erschienene Platte „Rodeo Radio“ landet auf Anhieb sogar auf dem 6. Rang. Es folgen: ausverkaufte Tourneen, sie werden zu Hauptattraktionen riesiger Festivals, umgeben von gackernden Groupies, Alkohol und Songs, die in Filmen und bei Werbespots auftauchen. Wie gesagt, ein Märchen. Denn natürlich sind alle ganz normal geblieben in den letzten zwei Jahren.

Boss und Hoss, die beiden Gründer von BossHoss, haben beim Treffen in einem Café in Prenzlauer Berg zwar Cowboyhüte dabei, aber nicht auf. Was ganz gut dazu passt, dass sie schließlich auch keine echten, texanischen Kuhjungen sind. Zumindest haben sie keine krummen Beine und Kautabak in der Backe. Sondern heißen eigentlich Alec und Sascha, kommen aus Berlin (Alec) oder sind vor Jahren aus einem Kaff bei Stuttgart zugezogen (Sascha). BossHoss ist eine so gut wie simpel ausgedachte Partymaschine, deren Respektlosigkeit gegenüber der als verschroben verschrienen Countrywelt ihr Kapital ist. Denn sie covern moderne Hits im Power-Countrystil. Auf ihrer ersten CD zum Beispiel Nellys „Hot In Herre“ und Outkasts „Hey Ya“. Auf der nachfolgenden „Rodeo Radio“, auf der immerhin fast die Hälfte der Songs etwas harmlose, mit Rockgitarre und Mitklatschrhythmus ausgestattete Original-BossHoss-Kompositionen sind, werden „Say A Little Prayer“ und De La Souls Hit von 1992 „RingRingRing“ bereits im Radio rauf- und runtergespielt. Und wer jetzt etwas von wegen „Karnevalskapelle“ und „aus einer einzigen Idee Geld machen“ mault, der klingt schwer nach Neider.

Ja, ab und an gebe es ein paar böse Stimmen im Gästebuch der Homepage, sagen Alec und Sascha, die gut gelaunt vor Nachmittagsbier und -saft sitzen, aber die meisten seien ihnen doch wohlgesonnen. „Wir haben unsere eigenen Country-Klischees zusammengemischt“, sagt Alec. „Klar kennen wir Johnny Cash, doch wir sind keine Country-Haudegen.“ Obwohl sie auf eine Instrumentierung zurückgreifen, als ob. Sascha, der seit Jahren ein eigenes Studio betreut und sich wie seine Mitstreiter lange in einer Rock/Rockabilly/Independent-Szene herumtrieb, zählt auf: „Kontrabass, Steelguitar, Waschbrett und so weiter“.

Auf der Bühne spricht die ganze Band mit Hingabe in einem breiten texanischen Akzent. Der mag vielleicht keinen Texaner überzeugen, den landläufigen Deutschen aber. Alle tragen weiße Feinrippunterhemden über ihren Tattoos, Jeans, Cowboyhüte und Bartschatten, trinken bis zum Abwinken und sehen aus wie aus der Levis-Werbung, mit viel Yeehaw und Gejohle.

Auf „Rodeo Radio“ finden sich eine Menge echte Muckergimmicks: Die Begleitgitarre spielt auf „RingRingRing“ die Basslinie von „Stayin’ Alive“, ins Ende vom Cardigans-Hit „My Favourite Game“ wurden die Akkorde des Reggae- Klassikers „I Shot The Sheriff“ gebastelt – Zitate, über die Musiker schmunzeln. „Wir nehmen uns eben nicht ganz ernst“, sagt Alec, und Sascha bedauert, dass in Deutschland „Rockmusik meistens eher spaßfrei“ sei.

Vielleicht ist BossHoss ein allgemein verständlicher Witz: Da machen ein paar Jungs auf cool und Cowboy, und spielen dann unverfroren Songs aus anderen musikalischen Welten nach. So eine Art verpoppte Klassik, nur nicht so siebziger- mäßig. Und tanzbarer.

Die Einzigen, die nicht lachen, sind „authentische Countryfans“. Die mit den Originalinstrumenten vom Gitarrenmarkt in Tennessee, den Original-Hank-Williams-Platten in Mint-Qualität, den Hemden nach einem Schnitt von 1955, den originalrestaurierten Oldtimer-Modellen, die nur zweimal im Jahr Ausfahrt haben. „Richtige Szenen sind immer spießig“, sagt Alec. Aber dass „Kommerzkacke“ sei, was sie selbst machen, so einen Vorwurf könne man sich natürlich nicht zu Herzen nehmen, sagt Sascha. Wieso auch? Es funktioniert ja alles bestens, und wenn es sich mal ausgeritten hat, dann täte eine Richtungsänderung ebenfalls keinem weh: „Ich könnte mir vorstellen, dass BossHoss in Zukunft einfach eine gute Rockband werden“, sagt Sascha.

Momentan läuft das kleine deutsche Country-Revival aber noch, auf so unterschiedlichen Ebenen wie dem Kinoerfolg des grandiosen Cash-Biopics „Walk The Line“, der Grandprix-Teilnahme einer belanglosen Band wie „Texas Lighning“ und eben dem Partykönig-Status von BossHoss, die die Sache im Spannungsfeld von Verehrung und Verachtung am weitesten treiben. Professionell funktionierendes Merchandisekonzept samt Klamotten- und Cowboyhutbestellformular inklusive. Mit ein paar Klicks kann man sich komplett zum Countryfan aufhübschen. BossHoss ist eine Konzeptband, der Idee des Kölner Teeniestars Sasha nicht unähnlich, der sich vor einer Weile, des Schmusehitsinterpretierens müde, einen neuen Kampfnamen zulegte und als Dick Brave konsequent Rockabillysongs coverte, und damit einen beachtlichen Erfolg bei Nicht-Rockabillyfans erzielte.

Den deutschen Countryszenen, die schon lange vor (und garantiert auch noch lange nach) BossHoss existieren, jenen Mittfünfziger-USA-affinen Amischlittenfahrern mit ihren Jeansjacken, den faltig-braungebrannten Blondinen und den stierförmigen „State of Texas“-Aufklebern am Auto, jenen „Truck Stop“-Trucker (sofern es sie noch gibt), jenen emotionalen, jungen und wilden Countryliebhaber wie den Berliner „Jever Mountain Boys“, all denen geht eine Band wie BossHoss natürlich am pferdelosen Hintern vorbei. Aber die nehmen das Leben auch ernster als bierernst.

BossHoss spielen am Donnerstag in der Kulturbrauerei, 20 Uhr

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