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DIE GESCHICHTE: Jakob Fugger, der Kaisermacher

1510 übernimmt Jakob Fugger die alleinige Herrschaft im Familienunternehmen. Sie nennen ihn „der Reiche“, der Einfluss seiner Bank reicht bis nach Indien und Amerika. Noch heute beten sie in Augsburg für seine Seele

Am Abend des 28. Juni 1519 trifft ein Kurier in Augsburg ein. Er überbringt die Nachricht, dass der spanische König aus dem Geschlecht der Habsburger von den Kurfürsten zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gewählt worden ist. Als Karl V. herrscht der nun über weite Teile Europas, aber auch über die neuen Besitzungen in Mittel- und Südamerika. Er wird von sich sagen können, dass in seinem Reich die Sonne nie untergeht. Doch Kaiser ist er nur geworden, weil Jakob Fugger, den man „den Reichen“ nennt, Kaufherr aus Augsburg, ihn dazu machte.

Die aktuelle, weltweite Finanzkrise demonstrierte die Macht der Banker und die Ohnmacht der Politik. Neu ist dieses Phänomen keineswegs. Schon vor 500 Jahren gab es ein Bankhaus, das die Geschicke der Welt mitbestimmte. Jakob Fugger hatte nach dem Tod seiner Brüder und Mitgesellschafter 1510 die alleinige Führung des ersten weltweit tätigen Handels- und Finanzkonzerns der Geschichte übernommen, mit Niederlassungen nicht nur überall in Europa. Seine Handelsaktivitäten erstreckten sich bis in die portugiesischen Niederlassungen in Indien und nach Spanisch-Amerika. Mit einer bis heute wohl beispiellosen Machtfülle beeinflusste ein einzelner Finanzmagnat die Geschicke Europas.

Schließlich war er es, der die Wahl Karls mit viel Geld durchsetzte. 852 000 Gulden mussten zusammengebracht werden, um die Kurfürsten von der Wahl des Habsburgers zu überzeugen. Eine selbst für Jakob Fugger enorme Summe, die sein Großvater als Weber in 1000 Jahren nicht hätte verdienen können.

544 000 Gulden steuerte Fugger selbst aus dem Firmenvermögen bei, ohne damit rechnen zu können, sein Geld je zurückzubekommen. Dennoch sollte die Wahl jeden Gulden wert sein. Es gibt allerdings Historiker, die glauben, Jakob Fugger hätte keine andere Wahl gehabt. Nachdem er bereits Unsummen in Karls Vorgänger, ebenfalls einen Habsburger, investiert hatte, stand im Falle eines Misserfolgs das ganze Investment auf der Kippe. Ein Konkurrent auf dem Thron hätte nicht nur in Augsburg eine Bankenkrise ausgelöst.

Mit der Wahl waren Fuggers Geschäfte auch in Zukunft gesichert, und Karls Herrschaft über Spanien und die Neue Welt eröffneten sogar neue Märkte. Das Kalkül ging auf. Bis zu seinem Tode steigerte Jakob Fugger sein Vermögen in unermessliche Höhen – selbst für heutige Maßstäbe. Er war der Finanzier der Kaiser, Könige und Päpste, er verfügte schließlich über die Rechte an nahezu allen Silber- und Kupferminen im europäischen Machtbereich der Habsburger, selbst Könige mussten sich dem bürgerlichen Handelsherren beugen.

Der Wert seines Vermögens lässt sich heute nur schwer in Zahlen umrechnen. Um eine Ahnung davon zu bekommen, müsste man annehmen, dass Microsoft heutzutage nicht nur den Markt für PC- Betriebssysteme beherrschte, sondern auch noch der alleinige Produzent von Computern und Prozessoren wäre, die dann ausschließlich von Microsoft verkauft werden dürften.

Dabei fing alles ganz bescheiden an. 1367 zog ein Hans Fugger als einfacher Weber vom Lande nach Augsburg, der damals mit über 20 000 Einwohnern nach Köln, Nürnberg und Lübeck viertgrößten deutschen Stadt. Sie lag inmitten der europäischen Fernverbindungen, und ein reisender Zeitgenosse wusste zu berichten, wie sie „dermaßen mit herrlichen Palästen und Häusern gezieret worden, dass einer glauben kann (...), er ginge in das Paradis“. Denn dort fanden sich etliche Familien, welche „... an sich gezogen haben die höchsten Kaufmannshändel, die in Europa betrieben werden“.

Güter und Gelder aus aller Welt gingen durch ihre Tore. Die Stadt war zur Zeit der Fugger ein Zentrum der feinen Tuchproduktion und inzwischen auch wichtigste europäische Finanzmetropole. Augsburg war damals Wall Street und Londoner City in einem.

Durch Geschick und vorteilhafte Ehen gelang es besagtem Hans Fugger, Fuß zu fassen und Zunftmeister zu werden. Seine Söhne teilten nach dessen Tod das Geschäft und begründeten zwei getrennte Linien der Familie. Nach ihren Wappen wurden die einen „Fugger vom Reh“ und die anderen „Fugger von der Lilie“ genannt. Die Linie vom Reh gelangte schneller zu Reichtum, verspekulierte sich jedoch bald und ging bankrott. Die Fugger von der Lilie betrieben ihre Geschäfte vorsichtiger. Über mehrere Generationen hinweg knüpften sie ein dichtes Netz von Niederlassungen, den Faktoreien, bis sie an allen wichtigen Handelsplätzen Europas vertreten waren. Das ganz große Geschäft begann aber erst mit dem Eintritt Jakobs in die von seinen ursprünglich fünf Brüdern gemeinschaftlich geführte Firma.

Kaum eine Epoche der Geschichte war so umfassenden und tiefgreifenden kulturellen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandlungen unterworfen wie die Zeit zwischen 1450 und 1550. Die starre Ordnung des Mittelalters und ihr religiös fundiertes Gesellschaftsbild wichen dem Humanismus und der Entdeckung des Individuums. Die alte Welt überschritt ihre Grenzen: Kolumbus erreichte Amerika, der Portugiese Vasco da Gama Indien, neue Wissenschaften und Erfindungen revolutionierten das Weltbild. Der Buchdruck ermöglichte erstmals den breiten Zugang zu Bildung und Informationen. Nicht nur die Bibel wurde so zum Bestseller, der Deutsche Martin Waldseemüller druckte eine Weltkarte. Die Kriegsführung veränderte sich durch neue Waffen und Taktiken grundlegend, stellte das Monopol der alten ritterlichen Kriegerkaste infrage.

„Stadtluft macht frei“ war die Parole der Zeit, und in Scharen drehten die Menschen dem harten Leben auf dem Lande und ihren adligen Herren den Rücken zu, um in den Städten ihr Glück zu machen. Das Bürgertum wurde zur treibenden Kraft einer sich neu formierenden gesellschaftlichen Ordnung, die schon damals mit einer merkantilen Globalisierung einherging. Gewürze, Luxusartikel und Edelmetalle aus Indien, China und Südamerika wurden auf den europäischen Märkten gehandelt. Vor allem aber gewann erstmals seit der Antike die Geldwirtschaft wieder an Bedeutung. Alles wurde käuflich, sogar ein Kaiser.

Während des Mittelalters basierte die Ökonomie auf dem Tausch und auf Abgaben in Naturalien, Geldhandel gab es kaum. Als Gegenleistung für Kriegsdienste vergab ein Fürst Lehen an Gefolgsmänner, die dann von den Bauern dieser Ländereien ernährt wurden. Ein Ritterheer war daher immer begrenzt. Mit Geld aber konnte jeder Söldner in beliebiger Zahl anwerben. Dazu kamen noch die neuartigen Schusswaffen. Die anfangs noch primitiven Kanonen waren für die damalige Zeit Spitzentechnologie; und die war immer schon sehr teuer.

Krieg und Politik wurden abhängig von Geld und Gold. Mehr denn je maß sich Macht in Talern und Gulden.

Niemand hat die gesellschaftlichen Umwälzungen so repräsentiert und zugleich so konsequent genutzt wie Jakob Fugger. Nach einer mehrjährigen Ausbildung begann er seine eigenständige Geschäftstätigkeit in Innsbruck. Mit strategischem Weitblick wählte er den wichtigsten Außenposten der Firma, um hier jenes Geschäftsmodell zu begründen, welches die Fugger schon bald zum Monopolisten des europäischen Silber- und Kupferbergbaus werden ließ und das zur Quelle ihres Reichtums wurde. In Tirol lagen die damals größten bekannten Silbervorkommen Europas. Auf die hatte es Jakob Fugger abgesehen.

Durch einen eigenen, regelmäßigen Kurierdienst zwischen Augsburg und den Faktoreien waren die Fugger beständig und für die damaligen Verhältnisse sehr schnell über die Vorgänge in allen Teilen Europas informiert. So wussten sie, dass der Herzog Sigmund von Tirol, trotz der reichen Silbervorkommen in seinen Landen, ständig in Geldnot war. Einer Nebenlinie der Habsburger angehörend, war der Herzog wegen seiner verschwenderischen Lebenshaltung und militärischen Abenteuer das ideale Ziel für Jakob Fugger. Der wollte nicht einfach nur Handel mit dem Silber treiben oder Kredite gegen Zinsen vergeben. Er wollte Abhängigkeiten schaffen und gewährte Sigmund großzügig Kredite, ohne dass dieser in Münze zurückzahlen konnte. Zur Tilgung musste Sigmund nach und nach Anteile an den Silbervorkommen und an seinen Bergwerken verpfänden. Dazu kamen bald Privilegien, die zum alleinigen Handel mit dem Edelmetall berechtigten. Am Ende musste Sigmund sogar das Recht der Münzprägung dem Fugger abtreten.

Ohne dessen Gelder ging in Tirol nichts mehr. Die Kredite, mit denen Sigmund seinen Hofstaat, die Beamten und seine Bauten finanzierte, übergab Jakob Fugger nicht dem Herzog aus, er zahlte sie direkt an die Beamten, Söldnerführer und Handwerker. Auf diese Weise erkaufte er sich deren Loyalität und wurde der faktische Herrscher in Tirol. Bald standen alle Silbergruben des Landes unter seiner Aufsicht, und das gesamte Tiroler Erz ging durch seine Hände. Vom Abbau des Silbers, über den Transport, den Handel bis zur Ausmünzung beherrschte er alle Bereiche der Wertschöpfung.

Durch sein Talent, Geschäft und politischen Einfluss miteinander zu verbinden, erlangte er die Eintrittskarte in das ganz große Geschäft. Denn das Engagement in Tirol brachte ihn auch näher an den österreichischen Erzherzog Maximilian, der 1508 auf den Kaiserthron gelangte. Die Fugger finanzierten Maximilians aufwendige Hofhaltung und dessen Kriege. Der wiederum verpfändete ihnen als Gegenleistung eine Silber- und Kupfermine nach der anderen in seinem Machtbereich. Wie eng die Bindung Maximilians an das Finanzhaus der Fugger war, zeigen dessen 27 Aufenthalte in Augsburg. Um mit seinem Bankier zu verhandeln, hatte Maximilian dort sogar ein eigenes Haus erworben.

Als Maximilian I. starb, ohne zuvor seine Nachfolge geregelt zu haben, hätte dies auch das Ende der Geschäftsgrundlage der Fugger werden können. Nicht nur, dass Maximilians Schuldscheine über Nacht wertlos wurden, auch die Monopolstellung im Kupfer- und Silberbergbau geriet in Gefahr. Als ernsthafter Bewerber um die Königs- und Kaiserkrone des Deutschen Reiches trat der französische König Franz I. auf, der selbst über erhebliche Finanzmittel verfügte. Franz hätte gegenüber den Fuggern ganz anders auftreten können. Die Protektion von allerhöchster Stelle war aber Grundlage des Geschäftes. Und das bedeutete: Karl, der Enkel Maximilians, musste Kaiser werden.

Wie sehr Jakob Fugger mit seiner Einschätzung recht hatte, zeigte sich bald. Als die fuggersche Macht und Monopolbildung längst schon Gegenstand öffentlicher Debatten war und Ulrich von Hutten klagte: „Suchten nicht bisher die Fugger auf jede erlaubte und unerlaubte Weise alle übrigen Kaufleute vom Handel mit indischen Erzeugnissen auszuschließen, (...) um den Deutschen ihr Geld und Silber abzunehmen?“, nahm sich der Reichstag zu Nürnberg 1522 der Praktiken der großen Augsburger Unternehmen an. Ein Untersuchungsausschuss ermittelte gegen die Kaufherren wegen verbotener Monopolbildung und bereitete Anklagen und Maßnahmen zu deren Zerschlagung vor. Gemeint war zu allererst Jakob Fugger.

Der antwortete mit einem Brief an Karl V. Sehr direkt erinnerte er den dauerklammen Kaiser daran, dass „Eure kaiserliche Majestät die römische Krone ohne mein Zutun nicht hätten erlangen können“, und verlangte die Rückzahlung aller Kredite, würde tatsächlich Anklage erhoben. Das Verfahren wurde auf allerhöchsten kaiserlichen Befehl niedergeschlagen. So zeigte die Finanzwelt der Politik, wer am längeren Hebel sitzt.

Obwohl die nächste Generation nach Jakobs Tod das Firmenvermögen nochmals verdoppeln konnte, war der Niedergang schon vorgezeichnet. Die Reformation höhlte die Stellung des Kaisers aus und stürzte das Reich letztlich in den Abgrund der Glaubenskriege. Damit verloren die Fugger das sichere Fundament, auf dem sie ihre Geschäfte aufgebaut hatten. Ironischerweise waren sie es selbst, die kräftig an dem Ast sägten, auf dem sie saßen. Gegen eine hohe Beteiligung hatten sie für den Vatikan zuvor jenen Ablasshandel organisiert, der Martin Luther schließlich dazu brachte, gegen die päpstliche Kirche aufzubegehren und gegen Jakob Fugger zu wettern: „ Man müsste wirklich dem Fugger (...) einen Zaum ins Maul legen.“

Jakob Fugger aber hatte vorgesorgt und auch in sein Seelenheil investiert. Dazu ließ er in Augsburg die Fuggerei bauen, die erste Sozialsiedlung der Welt. 106 Wohnungen wurden errichtet, um unverschuldet in Not geratene Augsburger Bürger aufzunehmen. Bei einer Jahresmiete von seinerzeit einem Gulden wurde von den Bewohnern lediglich verlangt, fleißig und katholischen Glaubens zu sein. Dazu sollten sie jeden Tag drei Mal für das Seelenheil Jakob Fuggers beten.

Das mit den Gebeten hat sich bis heute nicht geändert. Das mit dem Gulden auch nicht, wenngleich der inzwischen in Euro umgerechnet wird. Die Miete beträgt dementsprechend derzeit 88 Cent.

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